nicht. Ding stößt ihn an. Er fällt leblos um. Er ist schon seit mindestens zwei Tagen tot, denn die Leichenstarre war nicht mehr vorhanden.

In der achten Woche ist es sehr still im Sonderlager geworden. Alle Häftlinge bis auf etwa hundert, darunter merkwürdig viele Kinder, sind ,, gestorben". Auf Dings Anweisung sollen die Kinder, deren körper­licher Zustand es wahrscheinlich sein läßt, daß sie sich wieder erholen können, nun in das allgemeine Lager übergeführt werden. Wir holen alle noch lebenden Kinder heraus, baden sie, geben ihnen saubere Kleider und- zu essen. ,, Oh", sagt einer: ,, Ist das denn wahr? Gibt es denn wirklich noch so gute Menschen? Das kann ich ja gar nicht glauben."-- Nach wenigen Tagen hat auch der letzte erwachsene Insasse des Sonderlagers die Augen zugemacht. Das Lager wurde gereinigt, des­infiziert und wieder instand gesetzt. Es wurde nach einem Vierteljahr zum zweitenmal gebraucht

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Es war nach der Überlieferung der römische Kaiser Titus Flavius Vespasianus , der das geflügelte Wort ,, non olet" prägte, als man ihm die Gewinne aus einer Abtrittssteuer vorwarf, und seither pflegt man jedem bei einem unsauberen Geschäft verdienten Geld das Prädikat ,, es stinkt nicht" anzuhängen.

Von meinem Vorgänger übernahm ich eine Reihe von Attestmustern mit der Belehrung, daß das erste Attest 12, das zweite 20, das dritte 30 und das vierte 50 Mark koste. Außerdem würden auch noch größere Atteste ausgestellt, deren Preis unterschiedlich und in jedem einzelnen Falle festgesetzt würde. Ich hatte in der schnellen Stunde, die zur Ein­weisung in meine neue Tätigkeit als Arztschreiber übrigblieb, so viel zu behalten und erfuhr so viel Neues, daß es mir wie dem bekannten Schü­ler im Faust erging. Und da die kurze Einweisung bald von der Erledi­gung der dringendsten Arbeiten abgelöst wurde, war es weiter nicht verwunderlich, daß die Attestmuster zunächst aus meinem Blickfeld verschwanden.

Aber es dauerte gar nicht lange, daß ich sie aus dem Wust meiner Vordrucke, Muster und Notizen hervorsuchen mußte, denn es er­schien ein jüdischer Mithäftling und bat um die Ausstellung eines Ge­sundheitsattestes zum Zwecke der Auswanderung. Ich war nicht im Bilde, dafür aber der jüdische Kamerad um so besser. Er erklärte mir,

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