höchstens, daß ihr Kapo sie einmal etwas härter anfaßte. Sie wurden auch nicht bestraft, selbst dann nicht, wenn sie irgendwie gegen die Lagerdisziplin verstießen. Sie wurden, kurz gesagt, sowohl von den SS. - Leuten wie auch von den Häftlingen meistens nachsichtig behandelt.

Die Eingliederung in die Blödenkompanie ordnete Rödl persönlich an, und sie war auch danach. Es konnte sehr leicht vorkommen, daß ein vollkommen vernünftiger Häftling auf Rödls Befehl die Blödenbinde tragen mußte, und andererseits kam es immer wieder vor, daß Rödl die Eingliederung ablehnte, wenn irgendein Stubenältester einen Häft­ling vorführte, der ganz offensichtlich ,, blöd" war. Der Erfolg war, daß solche ,, abgelehnten" Häftlinge meistens in sehr kurzer Zeit dem harten Lagerleben erlagen und ihre letzte Fahrt nach Weimar antreten konnten.

Wenn man die Kolonne bei ihrer ,, Arbeit" beobachtete, war man erstaunt über die ,, Sturheit", mit der sie die ihr einmal andressierte Be­schäftigung verrichtete. Da kam ein Häftling mit der weißen Binde in das Karteizimmer des Häftlingsreviers, die Schuhe gereinigt, die Mütze in der Hand, den Brotsack umgehängt, und steuerte sofort auf die Bri­kettkiste zu, ohne sich auch nur im geringsten um irgend etwas anderes zu kümmern als um die Brikettkiste, hob den Deckel, blickte hinein und entfernte sich wieder, um die erforderliche Anzahl Briketts herbei­zuholen. Meistens beachteten wir die Sache gar nicht und ließen es auch durchgehen, wenn der, Dofe" mal seine Schuhe nicht gereinigt oder die Mütze nicht abgenommen hatte. Aber wenn in einem solchen Falle ein anderer Häftling wortlos auf die Schuhe oder die Mütze zeigte, dann nahm der ,, dressierte Häftling" sofort die Mütze vom Kopfe oder reinigte schnell seine Schuhe mit-- der Mütze, die er in der Hand hielt, um sie dann ruhig und gelassen wieder auf den Kopf zu stülpen, wenn ihm auch dabei der Dreck das ganze Gesicht verschmierte.

Im großen und ganzen führte die Blödenkompanie im Lager ein ziem­lich unbeachtetes Dasein, nur zuweilen, wenn sie durch Rödls Intelligenz mal allzu stark angeschwollen war, kam wohl der Lagerarzt her und verfügte Entlassungen. Im Sommer 1939 kam Dr. Ding auf den Einfall, die ,, Cardiazolprobe" bei allen Häftlingen der Kompanie durchzuführen. Er hatte darüber gelesen, daß bei Epileptikern durch Einspritzung einer bestimmten Menge Cardiazol ein epileptischer Anfall herbeigeführt wer-. den konnte, und daß durch die Einspritzung das Vorhandensein einer echten Epilepsie auch in solchen Fällen nachzuweisen war, bei denen es nicht zum offenen Ausbruch von epileptischen Anfällen kam, sondern sich in einem Zustande äußerte, der einer manisch depressiven Erkran­kung, einer Zyklothymie ähnelte.

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