ten, immer neue Quälereien und Antreibereien zu erfinden und durch­zuführen.

Ein Fluchtversuch kam sowieso dem sicheren Tode gleich und hat meines Wissens nur drei oder viermal stattgefunden. Während meiner Lagerzeit hat kein einziger Häftling einen Fluchtversuch von der Arbeits­stelle aus unternommen. Die vielen Häftlinge, die während dieser Zeit ,, Auf der Flucht erschossen" wurden, waren entweder bei den SS. - Quäle­reien aus Unterhaltung erschossen oder hatten bewußt diesen ,, Frei­tod" gewählt, weil sie die entsetzlichen Quälereien nicht mehr ertragen

konnten.

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Ein guter Kamerad ich habe seinen Namen vergessen, aber er wird wieder feststellbar sein wählte auch den Tod ,, Auf der Flucht er­schossen". Er war früher Mitglied des Zentralvorstandes des kommu­ nistischen Jugendverbandes gewesen und seit 1933 in Schutzhaft. Sechs endlos lange und schwere Jahre lagen hinter ihm, als er sich für den Freitod entschied, oder besser gesagt entscheiden mußte.

Er war ,, alter Konzentrationär", durch die harte Schule der SS. - Bru­talität gegangen, aber selbst dabei nur härter geworden. In den letzten Jahren hatte er eine Beschäftigung gehabt, die einigermaßen zu ertragen war. In Buchenwald gehörte er zu jenem Kreis politischer Häftlinge, die von den Mithäftlingen möglichst abgeschirmt wurden. Zwar hing unser aller Leben immer nur an einem schwachen Reihfaden, aber wir hatten es doch im Laufe der Zeit verstanden, diesen schwachen Reih­faden hier und da etwas zu verstärken. Der Kamerad, von dem hier die Rede ist, arbeitete, wenn ich mich recht erinnere, in der Häftlingskleider­kammer und war so aus dem unmittelbaren Blickfeld der Lagerleitung gerückt. Aber dann nahm das Verhängnis doch seinen Lauf.

Es war irgendeine Sache geplatzt", d. h. es war irgend etwas der Lagerleitung zur Kenntnis gekommen, was nach ihrer Ansicht gegen die Lagerdisziplin verstieß. Daß es nichts Unehrenhaftes war, versteht sich am Rande. Unser Kamerad war darin verwickelt. Er kam in die Klauen von Rödl, der ihn zunächst durchpeitschen ließ und einer Strafabteilung zuteilte, die besonders harte Arbeit außerhalb des Lagers zu verrichten hatte und wobei es, wie die SS. - Leute zu sagen pflegten, stets ,, lustig" zuging. Er war erfahren genug, um genau zu wissen, daß sich sein Schicksal erfüllt hatte. Aus Rödls Klauen kam er nicht wieder lebend heraus. Das einzige, was er noch tun konnte, war, daß er sich den qual­vollen Weg grausamster Folterungen ersparte. Und darum ging er am selben Tag noch langsamen Schrittes auf die Postenkette zu, die die Straf­abteilung umstellt hatte. Den Anruf ließ er unbeachtet und überschritt

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