weiten Bogen zu machen, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, wegen der ,, Neugierde" gleich mit ,, behandelt" zu werden, beschloß ich doch, meinen Rückweg über den Waldrand zu nehmen, von wo die Schmerzensschreie kamen. Und es dauerte auch gar nicht lange, bis ich den ,, Richtplatz" entdeckte.
Da hingen schon vier oder fünf Häftlinge an einer Baumgruppe, während etwa die gleiche Zahl noch etwas abseits stand und offensichtlich darauf wartete, bis die Reihe an sie kam. Ich wurde Zeuge des ,, Baumhängens", von dem ich schon gehört hatte und das von den Häftlingen sehr gefürchtet war.
Das ,, Baumhängen" hatten die Herren Nationalsozialisten aus dem ,, Baumbinden", wie man so schön sagt ,,, entwickelt". Aus der FridericusRex- Legende, mit der die Militaristen ihre unheilvolle, traurige ,, Politik" bis zur blinden Besessenheit emporzupeitschen verstanden, indem sie alle Brutalität in Humanität, alles würdelose Verhalten dieses Preußenkönigs in preußische Ehre und alle Geistesknechtschaft, mit der er sich an der Macht hielt, in Freiheit und Toleranz umfälschten, aus dieser Fridericus- Rex- Legende ist bekannt, daß es neben anderen Dingen zu seiner Zeit im Schwange war, einen Delinquenten an das Rad oder an den Baum zu binden. Wie die Nazis als Geistesverwandte aus dem Spießrutenlaufen den Prügelbock entwickelt hatten, so entwickelten sie aus dem Baumbinden das ,, Baumhängen".
Es bestand darin, daß man dem Missetäter die Hände auf dem Rükken zusammenband und ihn dann an dieser Fesselung an einem in einen Baum geschlagenen Nagel aufhing. Wer sich keine Vorstellung davon machen kann, was das bedeutet, versuche ein kleines Experiment an seinem eigenen Körper. Ich kann mir so eine nähere Beschreibung ersparen. Ich rate ihm aber, sich die Hände dabei kreuzweise fesseln zu lassen, denn das dürfte zu seiner Belehrung schon genügen. SS. - Scharführer Sommer zog es vor, die Hände der Häftlinge lang aneinander zu fesseln, denn er hatte herausgefunden, daß diese Art noch eine kleine ,, Zugabe" war.
Natürlich mußte ich ,, uninteressiert stur" und der Vorsicht halber immerhin auch in einer angemessenen Entfernung an der Richtstätte vorbeigehen, aber was ich dabei sah und hörte, war mehr als genug. Dieses Schreien, Wimmern, Fluchen, Betteln, Beten, Stöhnen, Brüllen, Weinen, Zetern in allen Schattierungen und Lautstärken vom Versuch, keinen Laut über die Lippen zu bringen, bis zum bullenhaften Gebrüll eines gereizten Stiers und dann wieder bis zum letzten verebbenden Wimmern und Röcheln! Dieser fürchterliche Anblick der hängenden
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