zeichnen, für den Bestand der menschlichen Gesellschaft im kleinen und im großen bedeutet. Die Gesinnung ist meistens der erste Anhaltspunkt, um einen Menschen zu beurteilen und zu bewerten, ihm zu vertrauen oder ihn abzulehnen. Und ich habe auch viele, viele prächtige Menschen kennengelernt mit einer Gesinnung, die durchaus nicht immer die meine war, die aber in ihrer Selbstdisziplin und in ihrer sittlichen Forderung an die streng einzuhaltende allgemeine Disziplin die fruchtbarste Voraussetzung zur Errichtung und zum Ausbau einer Gesellschaftsordnung war, in der das Leben eine einzige Lust sein muß. Doch ich habe auch viele, herbe Enttäuschungen erlebt, die sich schwer auf meine Seele legten.
Wahrhafte Gesinnung ist immer das Ergebnis langer, schwerer, innerer Kämpfe, eifrigsten Studiums, harten seelischen Ringens, kritischster Selbstphilosophie, ehrlicher Toleranz. Gesinnung kann nur haben, wer sich seine Weltanschauung selbst zimmert und seine Lebensführung täglich auf den kategorischen Imperativ abstimmt, der zwar verschieden formuliert sein mag, doch fast immer den gleichen Inhalt hat.
Aber wie häufig traf ich Leute an, deren ,, Gesinnung" in einer Handvoll Phrasen bestand. Leute, die ,, Gesinnung" als Aushängeschild benutzten, um in den Besitz persönlicher Vorteile zu kommen. Leute, die mit verrückten Behauptungen operierten und sich selbstgerecht und überheblich auf ,, ihren Kreis" zurückzogen, wenn diese Behauptungen durch die Wucht der Tatsachen oder durch die Macht der Logik als Chimäre entlarvt wurden oder zu werden drohten. Leute, die selbst nicht viel taugten, aber immer sofort bereit waren, am anderen kein gutes Haar zu lassen. Leute, die unter der Maske der Uneigennützigkeit schmierige Gemeinheiten begingen. Leute, die ihre ,, Gesinnungsfreunde" gar nicht erst auf die allgemein menschlichen, intellektuellen und seelischen Qualitäten hin untersuchten und beurteilten, sondern denen es die Hauptsache war, möglichst viele ,, Anhänger" zu haben, und die auch nicht davor zurückschreckten, minderwertigem Gesindel, das„, Gesinnung" zu markieren verstand, Macht über Mitmenschen in die Hand zu geben.
Wie selten habe ich hingegen Menschen angetroffen, die sich ihre Mitmenschen in erster Linie darauf ansahen, welche guten Seiten, welche geistigen und seelischen Qualitäten, welche Talente und Eignungen sie hatten, um dann zu versuchen, diese guten Seiten für das allgemeine Beste zu mobilisieren.
Gewiß, ich habe solche Menschen verhältnismäßig selten getroffen. Aber ich habe sie getroffen! Und ich habe immer festgestellt- gleich
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