Da kommt Peix in das Zimmer gestürzt: ,, Herr Sturmführer, bitte schnell."
Ding springt auf, fragt gar nicht erst, was geschehen sei, und läuft mit schnellen Schritten hinter Peix her. Ich muß mich einen Augenblick an der Tischkante festhalten. Dann gehe ich auch ins Besuchszimmer.
Dort, lang hingestreckt auf dem Boden, liegt Paul Schneider . Tot. Ding kniet neben der Leiche, öffnet die geschlossenen Augenlider. Peix steht wie eine Bildsäule daneben.-
Später erfahre ich dann, daß Paul Schneider über plötzliches Schwindelgefühl unter dem Lichtkasten geklagt habe. Der Pfleger habe darauf den Lichtkasten abgenommen und als Paul Schneider auf den Stuhl zugegangen sei, auf dem seine Kleider lagen, sei er umgefallen---
Im Arztzimmer diktiert mir Ding dann eine frei erfundene, völlig verlogene Krankengeschichte. Eine Fieberkurve wird gezeichnet, trotzdem Schneider nie im Revier in stationärer Behandlung war. In dem Totenbericht heißt es, daß Schneider bereits aus der stationären Behandlung des Reviers entlassen worden sei und sich nur noch in ambulanter Behandlung befunden habe. Der Tod sei nach einer ambulanten Behandlung überraschend in der Nähe der Revierbaracke eingetreten. Die Todesursache sei wahrscheinlich Herzschwäche.
Der Lagerkommandant Koch wird sofort benachrichtigt. Das ist das erste Mal, daß so etwas geschieht. Berlin bekommt durch Fernschreiben Bescheid. Die gefälschten Krankenpapiere, in denen eine mehrfache Revierbehandlung zusammengelogen wird, werden sorgsamst zusammengestellt, um sie auf Anforderung sofort nach Berlin schicken zu können - und sie wurden natürlich auch prompt angefordert.
Und indes die jüdischen Totenträger den Leichnam in die erbärmliche Totenbaracke außerhalb des Lagers transportieren, zermartere ich mir immer noch den Kopf: Warum dieser Aufwand? Sonst macht man doch viel kürzeren Prozeß?!
Jetzt wird sogar noch die Sektion der Leiche angeordnet. Die Rätselfrage wird immer unentwirrbarer für mich.
Am nächsten Tag kommt der Prosektor vom pathologischen Institut der Universität Jena . Ich muß das Sektionsprotokoll schreiben. Noch einmal sehe ich Paul Schneider auf der Pritsche. Keine Spur irgendeiner Miẞhandlung, keine Spur all des Leides, das dieser Mensch durchstehen mußte. Nur dort in der Beuge des rechten Armes eine kleine, kaum sichtbare Stichverletzung, die Stelle, an der der Mörder das Gift in die Blutbahn spritzte, das Gift, das nicht wirken wollte, wer weiß, aus
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