zielt habe. ,, Wir wollen es einmal mit einem anderen Mittel versuchen, und sehen, wie Sie das vertragen."

Als ich in das Behandlungszimmer komme, ist Ding nicht anwesend. Schneider sitzt unter der Höhensonne. Meinen Morgengruß erwidert er lächelnd. Er hat sich ganz ausgezeichnet erholt. Arme und Beine sind wieder normal, nur der Körper ist noch ungewöhnlich hager, aber der Brustkorb wölbt sich breit und kräftig und Schneiders Körperhaltung ist wieder gut gestrafft.

Ding kommt ins Zimmer. Er hat eine vollgesogene Spritze in der Hand. Er ist-- überraschend lebhaft. Oh, ich kenne dieses Wesen an ihm! Im Bruchteil einer Sekunde ist mir alles klar. Ich kann nicht mit dabei sein, verlasse den Raum und begebe mich in das Arztzimmer.

Ich bin wie gerädert. Hatte ich nicht auch schon zu glauben angefan­gen, daß Paul Schneider Buchenwald überstehen könnte!? Und nun wie­der diese plötzliche Wende! Mehr mechanisch und nur ungern, einem inneren Zwange folgend, gehe ich zum Papierkorb, in den Ding die leeren Ampullen zu werfen pflegt. Und dort liegen- fünf leere Strophantinampullen. Zwei davon auf einmal injiziert sind schon tödlich. Kurze Zeit hinter mir kommt Ding in das Arztzimmer, setzt sich an den Schreibtisch, und ich reiche ihm die Unterschriftenmappe.

Er unterschreibt, liest kein Schriftstück durch, ich sehe es deutlich. Seine Gedanken sind ganz woanders.

Peix, der Häftlingspfleger der inneren Station, tritt ins Zimmer. So, jetzt kommt es. Ding tut geschäftig. Ich blicke auf Peix. Die Sekunde wird zur Ewigkeit.

,, Herr Doktor", sagt Peix ,,, soll Schneider jetzt wieder in den Arrest

zurück?"

,, Wie?" fragt Ding ganz überrascht, starrt einen Augenblick ins Leere, wie es jemand zu tun pflegt, der in dem plötzlich aufgeschreckten Bruch­teil einer Sekunde tausend Gedanken durchdenkt ,,, Wie?---- So.-- Ja.

Nein."

Es liegt eine Atmosphäre grenzenloser Unbegreiflichkeit in der Luft, und immer noch starrt Ding ins Leere. Dann aber sagt er, als handele es sich um eine ganz harmlose Therapie: ,, Nein, leg ihn noch eine halbe Stunde unter den Lichtkasten."

Peix geht aus dem Zimmer, und Ding unterschreibt weiter. Sollte ich mich doch getäuscht haben? Das ist doch gar nicht möglich, daß irgend­ein Menschenherz diese Giftdosis länger als wenige Minuten überdauert!! Sehe ich denn schon Gespenster? Ding ist vollkommen ruhig, stellt Fragen an mich, bespricht dies und das. Ich muß mich getäuscht haben!

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