Was Paul Schneider im Arrest außerdem noch durchzustehen hatte, weiß ich nicht, aber es muß grauenhaft gewesen sein. Denn er war dort in der Hand des Arrestleiters, des unglaublich sadistischen SS. - Schar­führers Sommer, der mit Wollust prügelte, mit perverser Lust das Baumhängen vollzog und sich immer wieder Gift aus der Apotheke des Häftlingsreviers geben ließ, wonach regelmäßig ein Todesfall im Arrest­gebäude verzeichnet wurde.

Im Sommer 1939 bekam ich Paul Schneider zum ersten Male aus näch­ster Nähe zu Gesicht. Er wurde von dem SS. - Scharführer Sommer plötzlich in das Häftlingsrevier gebracht.

Welch ein Anblick! Niemals habe ich die tiefe Tragik des Pilatuswortes ,, Ecce homo" erschütternder gefühlt. Das große, edle, fahlgelbe Gesicht mit den hellen, offenen Augen leidzerfurcht, und doch voll jener Ver­klärung, die edelstes Menschentum und entschlossener Wille auf jede Kämpferstirne legt. Der Körper abgemagert zum Skelett, die Arme unförmig geschwollen, an den Handgelenken blaurote, grüne und blutige Einschnürungen. Und die Beine- es waren keine Menschen­beine mehr Elefantenbeine

-

es waren

Wasser! Wir, die wir viele, viele Häftlinge schon hatten an Kreislauf­störungen sterben sehen, standen vor einem Rätsel: Wie war es möglich, daß dieser Mensch noch lebte?! Daß er in diesem Zustande, zwar unbe­holfen und wankend, aber doch noch aus eigener Kraft den langen Weg über den großen Appellplatz, durch die endlos lange Barackenreihe und durch den Wald hinunter ins Häftlingsrevier zu gehen vermocht hatte?! SS. - Scharführer Sommer, dessen schmutziges Gesicht mit den ebenso stupiden wie jaguarverschlagenen und brutalen Zügen abgrundtief kon­trastierte, wich keinen Augenblick von Schneiders Seite, und wir Häft­linge konnten kein Wort mit unserem Kameraden wechseln, um Näheres zu erfahren.

Was sollte hier geschehen? Wieder ein Mord? So abgestumpft wir gegen den täglichen Massentod geworden waren, hier rührte er uns doch irgendwie tiefer an.

Paul Schneider war nicht irgendein namenloser, unbekannter, aber deshalb nicht etwa weniger erbarmungsvoller Häftling. Paul Schneider war einer von denjenigen, dessen Tod weitere Kreise ziehen würde, Kreise bis hinüber nach Holland , England, Schweden , Amerika . Und. Paul Schneider war unser Kamerad, dessen Gesinnung vielleicht nicht die unsere, aber dessen Lauterkeit und Tatchristentum über allen Zwei­fel erhaben war..

Doch unsere versteinerten Gesichtszüge verrieten dem SS. - Scharführer

160