Es bleibt immer noch mehr als genug übrig, das das Todesurteil über sie spricht!

Zwei Jahre etwa befand sich Pfarrer Paul Schneider aus Diecken­schied- Womrath in Buchenwald , neben Pfarrer Niemöller, der damals im KZ. Oranienburg festgehalten wurde, ein namhafter Führer der Bekenntnischristen in Deutschland .

Als er sich bei einem Appell weigerte, die Mörderfahne des tausend­jährigen Reiches zu grüßen, wurde er auf den Bock gelegt, mit 25 Stock­hieben bestraft und dann, weil er sich standhaft weiter weigerte, den geforderten Gruß zu erweisen, in das Arrestgebäude gesperrt.

Das war der Anfang seines Endes. Die Häftlinge, bei denen sich Schneider einer großen Beliebtheit und einer allgemeinen Achtung er­freute, weil er vom ersten Tage seiner Lagerzeit an alles buchstäblich mit seinen Mithäftlingen teilte, selbst das Brot und das wenige Geld, das er hatte, und weil er aus seiner christlichen Gesinnung und seiner Gegnerschaft gegen den Nazismus auch jetzt noch keinen Hehl machte, wußten, daß damit das fast absolut sichere Todesurteil über ihn ge­sprochen war. Aber niemand ahnte an diesem Tage, daß es erst nach mehr als einem endlos langen Jahre vollstreckt werden würde.

Bei der Vollstreckung war ich zugegen, und deshalb will ich darüber hier berichten.

Mehrfach wurde Schneiders Stimme, wenn die Zehntausende zum Appell angetreten waren, laut und deutlich aus dem Arrestgebäude fast über den ganzen Platz schallend gehört:

,, Kameraden, hört mich. Hier spricht Pfarrer Paul Schneider . Hier wird gefoltert und gemordet. Um Christi willen, erbarmt euch. Betet zu Gott . Bleibt standhaft und treu. Gott , der allmächtige Vater, wird das Übel von uns nehmen."

Für uns war alles klar: Paul Schneider war ein Fanatiker des Glaubens, ein tief religiöser Mensch, der in der Leidensgeschichte seines religiösen Idealbildes den Trost und die Stärke fand, das Schwere bis zur Bereit­schaft zum Tode auf sich zu nehmen. Paul Schneider glaubte an die Er­lösung durch Gott . Er wußte sehr wohl, was nach einer solchen ,, Pre­digt" mit der Unvermeidlichkeit eines Naturgesetzes über ihn herein­brechen mußte, aber das sittliche Gesetz in ihm zwang ihn, vorbildlich mutig so zu handeln.

Und immer nach solchen Predigten wurde Schneider aus dem Arrest geführt und durchgepeitscht, bis das Blut durch die Kleidung drang. Und dann wurde er halb ohnmächtig wieder in das Arrestgebäude zurück­geschleift.

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