Eines Tages wurde eine alte, etwas isoliert dastehende Holzbaracke, die abgebrochen werden sollte, um einem Steinbau Platz zu machen, auf Rödls Anweisung von sämtlichem Inventar geräumt. Türen und Fenster wurden ungewöhnlich fest verrammelt und die Baracke völlig verdun- kelt. So entstand die Dunkelbaracke, die sich Rödl höchstpersönlich ausgedacht hatte, weil ihm die zahlreichen anderen Strafmethoden nicht mehr ausreichend erschienen.

Rödl ordnete folgendes an: 1. Die Dauer der Dunkelhaft bestimme ich. 2. Eine Unterbrechung der Dunkelhaft infolge Krankheit und der- gleichen gibt es nicht. 3. Die Ernährung besteht nur aus Wasser und Brot, und zwar erhält jeder Häftling täglich 200 Gramm Brot. 4. Jedes Gespräch mit den eingesperrten Häftlingen ist strengstens verboten.

Als die Baracke hergerichtet war, bezogen 23 Häftlinge auf die Dauer von vier Wochen den Dunkelarrest, nach zwei Tagen folgten noch weitere drei Häftlinge und nach acht Tagen weitere 11, so daß also ins- gesamt 37 Häftlinge eingesperrt waren. Nachher erfolgten keine Ein- sperrungen mehr. Was sich im einzelnen in dieser Baracke abgespielt hat, vermag ich nicht zu sagen, ich weiß auch nicht, ob diese Tragödie je auf- gehellt werden kann, denn es ist mir unwahrscheinlich, daß ein einziger dieser Häftlinge noch am Leben ist. Aber ich kann schildern, was ich selbst sah, und wenn auch Worte die Wirklichkeit nur eben anzudeuten vermögen, hoffe ich doch, daß sie eindringlich genug sind, eine ahnungs- volle Vorstellung erstehen zu lassen.

Im-Vorraum der Dunkelbaracke waren auf Rödls Anweisung auf einer großen Tafel die Namen der eingesperrten Häftlinge mit dem Beginn und dem Ende der Strafe geschrieben. Der Scharführer, der die täglichen Brotrationen in die Dunkelbaracke zu bringen hatte, hatte am Morgen nach der vierten Woche die ersten 23 Häftlinge aus der Dunkelheit her- ausrufen wollen, aber es hatten sich nur 4 Häftlinge gemeldet, die wie wandelnde Leichen herauswankten und dann gleich vor der Baracke zu- sammenbrachen. Daraufhin hatte er zum Häftlingsrevier geschickt, die Träger sollten sofort mit vier Bahren nach der Dunkelbaracke kommen.

Der erste Häftlingspfleger Walter Krämer war darauf mit Trägern und Bahren nach der Baracke gegangen. Als er dort ankam, war der Scharführer mit einer. Taschenlampe in die Dunkelbaracke eingedrungen und hatte festgestellt, daß ein großer Teil der Häftlinge bereits tot war, daß ein anderer Teil offenbar im Sterben lag und daß die übrigen einen total entkräfteten, apathischen oder wahnsinnigen Eindruck machten. Krämer ließ zunächst die vier Häftlinge, die ohnmächtig vor der Baracke lagen, ins Revier tragen, drang gleichfalls in die Baracke ein und ord-

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