nete dann an, daß sämtliche Träger mit allen zur Verfügung stehenden Tragbahren sofort nach der Dunkelbaracke zu kommen hatten. Es war noch früh am Morgen. Ding und die SDG.s waren noch nicht im Lager und vorerst auch nicht zu erwarten. Darum schloß ich mich der Trägerkolonne an, denn ich ahnte die furchtbare Tragödie.
Krämer kam mir entgegen. Ich sah sofort, daß er Entsetzliches erlebt haben müßte. Denn er, der doch schon soviel Elend, Leid und Grausamkeit gesehen hatte und der eine geradezu phänomenale Widerstandskraft besaß, die ich immer und immer wieder an ihm einfach bewundern mußte, und an dem ich schon wiederholt beobachten konnte, daß er selbst bei grausamsten Vorkommnissen die äußere Ruhe bewahrte, war fast fassungslos und blickte mich mit Augen an, aus denen grausigstes Grauen flackerte. Wir besprachen uns kurz. Er sagte mir, daß er im Einverständnis mit dem Scharführer die Toten und die Sterbenden aus der Baracke herausholen lassen wollte. Der Scharführer stand vor der Tür. Auch ihm lag kaltes Grauen auf der Stirn. Er trat sogar beiseite, als Krämer und ich nun in die Baracke eindrangen.
Ein unglaublicher, pestilenzartiger Gestank von Kot, Fäulnis und Leichenmoder schlug uns entgegen. Krämer leuchtete mit einer Taschenlampe in die Tiefe der Baracke. Der Fußboden völlig mit Dreck, Kot und Feuchtigkeit verschmiert. Auf der linken Barackenseite erreicht der dünne, matte Strahl der Taschenlampe eine Reihe von toten Häftlingen, die von ihren Kameraden offenbar noch nebeneinander beseitegelegt worden waren, verhungert, verkrampft, in den grauenvollsten Lagen. Dann gleitet der Taschenlampenstrahl nach rechts hinüber. Dort liegen die Toten und Sterbenden durch- und übereinander. Der Lichtstrahl gleitet von einem Skelett zum andern. Es ist nur gut, daß die Lampe nur noch matt leuchtet und darum die ganze Tragödie hier nicht auf einmal vor unseren Augen enthüllt. Dort liegt einer, matt atmend, manchmal von Krämpfen durchzuckt und neben ihm liegen sechs, sieben oder acht Brotrationen. Dort hockt ein anderer zusammengekauert an der Barackenwand, tot, Brot und Wasserbecher noch in der Hand. Und dort die anderen, die Lebenden, auf dem nackten Fußboden sitzend, mit dem Rücken an die Barackenwand gelehnt, apathisch, blödsinnig stierend, entkräftet. Einer hat sich völlig entkleidet und hockt nun da auf seinen Kleidern und erinnert an einen Affen im Zoo. Ein anderer, offenbar ein Zigeuner, sitzt ganz stillvergnügt in einer Ecke und lächelt fortgesetzt vor sich hin, aber das Licht unserer Taschenlampe erzielt keinerlei Reaktion. Als wir hingegen andere Häftlinge anleuchten, heben sie abwehrend die Hand oder senken geblendet den Kopf.
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