gleichgültig, denn Richter hatte unzählige Dinge auf dem Kerbholz, von denen bei anderen Häftlingen eines genügt hätte, um aus ihm eine ,, mat­schige Leiche" zu machen.

Richter wußte, daß er zunächst über den Bock gehen würde. Er mel­dete sich deshalb als Kranker im Häftlingsrevier. Der Oberpfleger wußte nicht recht, was er tun sollte, denn hätte er Richter in das Revier auf­genommen, wäre es sehr leicht möglich gewesen, daß ihn die Lager­leitung für diese Schiebung zur Rechenschaft gezogen hätte. Auf der anderen Seite wagte er es aber auch nicht, Richter nicht aufzunehmen, denn es bestand immerhin noch die Möglichkeit, daß Richter sich wieder aus der Zange winden und dann erneut in eine Machtposition kommen. würde, die Richter fraglos gegen ihn ausnutzen würde. Er ließ deshalb die Aufnahme mit dem Hinweis in der Schwebe, daß er zunächst wich­tigere Dinge zu tun hätte. Inzwischen kamen zwei Scharführer auf der Suche nach Richter herunter nach dem Häftlingsrevier.

Richter protestierte zwar dagegen, daß man ihn mit ans Tor nehmen wollte, und sagte, daß er schwer krank sei und zunächst dem Arzt vor­geführt werden müßte, aber die Scharführer lachten amüsiert und küm­merten sich nicht um diesen Protest. Auch die anderen Häftlinge, die Zeuge dieser Szene waren, amüsierten sich nur. Richter erntete seine Saat.

Richter wurde dann in Arrest eingeliefert und ging noch mehrfach über den Bock. Daraus wurde geschlossen, daß er nicht zum ,, Singen" zu bewegen war, zumal irgendwelche Arresteinlieferungen, die mit ihm zusammenhängen konnten, nicht stattfanden.

Er starb in einer Nacht, in der die SS.- Offiziere in ihrem Kasino ein turbulentes Saufgelage abgehalten hatten. Ding diktierte mir am näch­sten Morgen mit verkatertem Gesicht- Ding war sonst kein Trinker- den Totenbericht. Todesursache: Syphilitische Hauptschlagaderentzün­dung. Das Resultat war der noch nicht erfolgten Sektion vorweggenom­men. Es war mit Vorbedacht ausgewählt.

Als die jüdischen Leichenträger die Leiche aus dem Arrestgebäude ab­holten, konnten sie zwar nicht die Spuren einer intervenösen Injektion entdecken, die Spuren einer intermuskulären Injektion wären an dem total zerschundenen Körper sowieso schwer feststellbar gewesen. Dafür aber sahen sie, daß irgend jemand die zahlreichen Goldzähne bereits aus dem Gebiß der Leiche herausgebrochen hatte. Ein Häftling konnte das nicht getan haben-

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