Bei der Gründung des Lagers aber wurden zunächst zwei ,, Grüne" Lagerälteste und darum bald fast sämtliche Kalfaktorenposten und Kapostellen von den ,, Grünen" besetzt. Das war für die Politischen und für das gesamte Lagerleben ein schwerer Schlag.
Man muß wissen, daß ein Kapo im Lager über die Mithäftlinge eine ungeheure Macht hatte, eine Macht, die so groß war, daß er selbst über Tod und Leben seiner Mithäftlinge entscheiden konnte. Die Lagerleitung hatte den Kapos mit voller Absicht diese Machtposition überlassen, denn sie fand so sogar aus den Reihen der Häftlinge willfährige Werkzeuge ihrer brutalen Vernichtungspolitik. So leicht es natürlich der Lagerleitung war, einen mißliebigen Kapo zu beseitigen, so schwer war es den Mithäftlingen. Die Tatsache, daß zunächst alle Kapostellen von Grünen besetzt waren, hat sich sehr zum Unheil ausgewirkt. Bei der natürlichen Abneigung der kriminellen Elemente gegen die politischen Häftlinge und bei der Gegensätzlichkeit dieser beiden Welten bedurfte es eines langen, schweren Weges, bis die Kapostellen den kriminellen Elementen. immer mehr und mehr entwunden werden konnten.
Als ich in das Lager eingeliefert wurde, war der 1. Lagerälteste ein grüner Häftling namens Richter, der bei der Lagergründung denselben Posten innehatte, dann einige Zeit Kapo der Strafkompanie gewesen und nun wieder zum Lagerältesten ernannt worden war. Er war ein untersetzter, breitschulteriger, verschmitzt dreinblickender Bursche. Was mit ihm los war, glaube ich durch zwei Tatsachen deutlich genug demonstrieren zu können.
Der Häftling, der uns Zugängen am Tage meiner Einlieferung in das Lager auf dem Appellplatz in geschwollener Form den Informationsvortrag hielt, war Richter. Er schilderte uns im großen und ganzen die uns da noch unglaublichen Lagerverhältnisse richtig und seine Bemerkung, daß er das Aufhängen von Häftlingen selbst besorge, war nicht etwa eine renommierende Übertreibung, sondern entsprach durchaus den Tatsachen. Der zweite Häftling, der die auffallende Wandlung in Richters Haltung herbeigeführt hatte, war Hans Schulenburg, der seinerzeit Lagerpolizist war und sich mit seinem korrekten Verhalten großer Sympathie im Lager erfreute. Richter, der viel ,, Dreck am Stecken" hatte, wußte, daß er in der Hand von Hans Schulenburg war, der ihn jedoch aus seiner grundsätzlichen Einstellung nicht ,, hochgehen" ließ. Aber was wußte Richter schon von der grundsätzlichen Einstellung eines politischen Häftlings!? Er glaubte, sich die persönliche Sympathie durch unterwürfige Speichelleckerei erwerben zu können. Darum dieser plötz
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