muß er entsetzliche Qualen durchstehen, sein ganzer Körper zuckt auf und bäumt sich, aber der Häftling spricht nicht.

Nun nimmt SS.-Scharführer Hofmann die Rolle und führt sie immer wieder über die Arme, über die Brust, über den Leib, und der Häftling zuckt und strampelt immer wilder und wilder. Da! als Hofmann über die linke Brustseite rollt, bäumt sich der Häftling mit einem gewaltigen Ruck auf, schnellt förmlich wie ein Hecht aus der Wanne hervor, be- schreibt dabei mit beiden Armen eine große, kreisförmig um sich schla- gende Bewegung und--- sinkt dann völlig erschlafft und leblos über der Wanne zusammen.

Dr. Ding, Seehausen, Hofmann, der dritte SDG., dessen Namen ich vergessen habe, ein Häftling, der auch dabei sein mußte, sie alle sind durch diesen blitzartig eingetretenen Wandel der Situation derart per- plex, daß sie gleichfalls wie tot dastehen, vielleicht war es nur eine Sekunde lang, vielleicht mehrere Sekunden, vielleicht aber auch nur der Bruchteil einer Sekunde, ich weiß es nicht mehr, ich weiß nur noch, daß der Zeitraum mir endlos lange vorkam.

Am erstarrtesten stand Hofmann da, mit halb eingeknickten Knien, die Rolle locker in der Rechten, die Augen entsetzt auf den zusammen- gesunkenen Körper vor ihm gerichtet, den Mund halb geöffnet. Es war gewiß sein erster direkter Mord, und es mag sein, daß es auch sein letzter war, denn er war im Grunde aus gutem Holz geschnitzt, aber aus sol- chem Holz, das in der Naziatmosphäre auch faul werden muß.

Am Abend dieses Tages habe ich das einzige Mal während meiner gan- zen Haftzeit längere Zeit geschwankt, ob die fast völlig hoffnungslose Möglichkeit, noch einmal ein sinnvolles Leben führen zu können, das Leid aufwog, das ich jetzt durchzustehen hatte.

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Beim ersten Trupp Konzentrationäre, der im Jahre 1937 zur Errich- tung des Lagers auf dem Ettersberg eintraf, warenGrüne, also Häft- linge, die wegen ihrer kriminellen Delikte zwar nicht in Straf- oder Sicherheitshaft genommen werden konnten, weil die gesetzlichen Vor- aussetzungen dazu fehlten, dafür aber nun einfach in ein Konzentrations- lager gebracht wurden.

Ich stehe nicht an, zu erklären, daß es mir als politischemVer- brecher während meiner ganzen Gefangenschaft eine der schwersten seelischen Belastungen gewesen ist, daß ich mit kriminellen Elementen in einen Topf geworfen wurde. Zwar habe ich unter meinen kriminellen

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