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Wie anders mußte zum Beispiel jener ärme Schächer sterben, der in das Lager eingeliefert wurde, um zum Sprechen gebracht zu werden.

Es handelte sich um einen Häftling aus Tellsruh an der oberschlesisch- polnischen Grenze, der wegen verschiedener Diebstähle eine längere Ge- fängnisstrafe verbüßt hatte. Er hatte die Diebstähle mit einem Kumpan begangen, und während der Strafverbüßung tauchte gegen beide der Verdacht auf, bei ihren Diebesfahrten einen Polizeibeamten erschossen zu haben. Die herbeigeschafften Indizien reichten jedoch zu einer Ver- urteilung nicht aus.

Während es seinem Kumpan gelungen war, nach Polen zu entkom- men, hatte er sich von dem Augenblick an, als er die Beschuldigung hörte, gegen sie damit gewehrt, daß er sich beharrlich weigerte, irgend- eine Aussage zu machen. Die einzigen Worte, die er sprach, waren: Tellsruh und ‚Ich heiße--- nein. Er verstand alles, was man ihm sagte, gehorchte widerspruchslos und sofort jedem Befehl, war aber durch nichts zu bewegen, eine Aussage zu machen. Er war während der restlichen Strafzeit stumm geblieben und hatte auch die gewiß nicht behandschuhten Methoden bei der Einlieferung in das Lager wirkungs- los über sich ergehen lassen. Ebenso wirkungslos blieben wiederholte Auspeitschungen.

Da alle Methoden nichts nützten, wurde er dem Lagerarzt Dr. Ding übergeben, der nun versuchen sollte, dem Häftling den Mund zu öffnen. Ding ging sehr zuversichtlich an dieArbeit.

Die einfachen Methoden der Einschüchterung und der Quälereien blieben ohne jeden Erfolg. Schläge, Hunger, Arrestfolter waren ebenso wirkungslos wie der schroffe Wechsel zwischen Anschreien und väter- lichem Zureden und zwischen brutalster Quälerei und dergutmütigen Zigarette. Der Häftling blieb stumm.

Dingentschloß sich, eine wohldosiertegrüne Spritze(Apomorphin) zu injizieren. Ohne Zögern entblößte der Häftling selbst den Gesäß- muskel, und trotzdem ihn Ding satanisch angröhlte:Jetzt mußt du Aas sterben!, wehrte er sich nicht, ließ sich die Nadel in den Muskel stoßen und blieb ruhig stehen, bis Ding das Gift eingedrückt hatte.

Dem Befehl, sich außerhalb der Baracke vor dem Fenster in halber Kniebeuge mit seitwärts erhobenen Händen hinzustellen, kam er sofort nach. Das Gift begann nach kurzer Zeit zu wirken. Krampfhaft ver- suchte er, den aufkommenden Brechreiz zu unterdrücken, weil er sich offenbar fürchtete, den gepflasterten Weg zu beschmutzen.

Immer größer wird der Brechreiz. Angstvoll irren seine Augen um-

} 10 Poller, Buchenwald ; 145