hin die Maske, und das deutsche Volk wurde in der Meinung gehalten, daß zum Beispiel die Todesstrafe an einemVolksgenossen erst nach einem Gerichtsverfahren vollstreckt werden könne. Hier aber wurde amtlich dokumentiert, daß Herr Himmler eine Justiz für sich hatte. Für die Eingeweihten war das bestimmt nichts Neues, daß er jetzt aber dazu überging, seine Befehle dokumentieren zu lassen, war etwas Neues.

Es ist heute nach dem Zusammenbruch und der Demaskierung des

Nazismus verhältnismäßig leicht, den Beweggrund dafür anzugeben. Er bestand einfach darin, daß Himmler, der vor keinem Verbrechen zu- rückscheute, um an der Macht zu bleiben, durch die Geheimberichte seiner Gestapo sehr wohl und besser als jeder andere in Deutschland darüber unterrichtet war, wie sehr es im Gebäude des Nationalsozialis- mus wackelte, daß selbst seine festesten Stützen begannen morsch zu werden. Aus diesem Grunde wurde die eigene Gerichtsbarkeit der SS. eingeführt. Aus demselben Grund ließ er einen kleinen Teil seiner Mordbefehle jetzt dokumentieren, um sich den Anschein zu geben, daß er absolut fest im Sattel saß, und um alle jene zu warnen, die aus seinen Reihen auszubrechen versuchten.

Es war jedem SS. -Mann bekannt, daß bis dahin eine offen zugegebene Ermordung nur auf ausdrücklichen Befehl von Hitler und nur mit seiner ausdrücklichen Genehmigung erfolgen konnte. Jetzt aber ließ Himmler , der von jedem SS.-Mann gefürchtet wurde, der seine Nase nur etwas tiefer in den allgemeinen Betrieb des Nazismus gesteckt hatte, mit Lauf- feuergeschwindigkeit in der gesamten SS. wissen, daß auch er SS. -Leute offiziell erschießen ließ, wenn er es für richtig hielt.

Bei diesen Erschießungen handelte es sich in erster Linie zwar um mißliebige Personen aus den eigenen Reihen, aber es wurden auchandere Leute erschossen, Leute zum Beispiel, über die nicht einmal die zur Nazi- hure herabgewürdigte deutsche Justiz ein Todesurteil fällen konnte, deren Liquidierung Himmler aber für zweckmäßig hielt.

Ich weiß, jedem anständigen Menschen, der sich einmal Gedanken über das Wesen eines Staates gemacht hat, überläuft das kalte Grauen ob solcher Zustände, aber der Leser mag es mir glauben,daß der Tod dieser Ermordeten von uns Konzentrationären beneidet wurde, denn sie wurden nicht langsam zu Tode gefoltert, sie erlitten nicht den Hunger- tod, der sich mit entsetzlicher Qual über Wochen und Monate, ja manch- mal über Jahre hinauszog, ihnen blieb die Hölle Buchenwald erspart, ihr Tod war zwar auch nicht schmerzlos, aber doch wenigstens kurz---

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