standesamtliche Meldung bei Freitod rote, bei anderen Todesfällen gelbe Formulare ausgefüllt, die statistischen Zwecken dienten und auf denen auch die Todesursache angegeben werden mußte. Manchmal füllte See­hausen diese Formulare im Häftlingsrevier aus. Aber ich hatte keine Gelegenheit, zu untersuchen, warum Seehausen die Formulare selbst ausfüllte, denn er ließ sie immer sofort in seiner Aktentasche verschwin­den, die er stets bei sich trug. Daß dabei irgendein Umstand in Frage kam, der vor mir verborgen bleiben sollte, war mir ohne weiteres klar. In etwa kam ich den Dingen auf die Spur, als Seehausen sich wieder einmal eine Kollektion aushändigen ließ. Es war uns bekannt geworden, daß der Scharführer Uhlig, der früher im Häftlingsrevier als SDG. tätig gewesen war und über dessen Schicksal ich an anderer Stelle be­ricnte, im Arrest Selbstmord begangen hatte. Da Seehausen jetzt wieder eine Kollektion Totenpapiere mit einem roten Standesamtsformular selbst ausfüllte, gehörte keine große Kombinationsgabe dazu, den Zu­sammenhang festzustellen.

Einmal aufmerksam geworden, war es nur eine Frage der Zeit, die Richtigkeit meiner Kombination bestätigt zu bekommen. Die Bestäti­gung ließ nicht lange auf sich warten. Diejenigen Fälle, bei denen ich nicht feststellen konnte, daß ein SS.- Mann im Arrest ,, verstorben" war, fielen mir zunächst nicht besonders auf, denn bei dem sorgsamen Ab­schluß des Arrestgebäudes vom Lager war es sowieso schwer, zuver­lässige Nachrichten von den Dingen zu erhalten, die sich dort er­eigneten.

Eine enge Freundschaft verband mich mit einem Gesinnungsfreund, der die Schreibarbeiten in der großen, aufs modernste eingerichteten Häftlingswäscherei versah. Durch ihn lernte ich Gesinnungsfreunde ken­nen, die früher an der Leipziger Volkszeitung tätig gewesen waren. Häufig fanden wir uns in den Freistunden zusammen, besprachen die Lage, politisierten und philosophierten und ließen es dabei auch nicht an jener Flaxerei fehlen, die bei uns Unverwüstlichen um so groteskere Formen anzunehmen pflegte, je dreckiger es uns ging.

Einer dieser Freunde hatte die Sortierung und Registrierung der in der Wäscherei eingehenden Schmutzwäsche unter sich. Zufällig kam ein­mal das Gespräch darauf, daß ihm zuweilen auch blutige Wäsche und Kleidungsgegenstände von Erschossenen angeliefert wurden, trotzdem von einer Erschießung im Lager nichts bekanntgeworden war. Da er wußte, daß ich die Totenpapiere für die verstorbenen und getöteten Häftlinge auszufertigen hatte, fragte er mich, ob ich Näheres über der­artige Fälle wüßte. Ich mußte verneinen.

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