einer dieser Gruppen anzuschließen. Auch in seiner soliden, gepflegten Kleidung stach er von den übrigen Gefangenen ab. Er machte den Eindruck, daß man ihn direkt von einem Sonntagsspaziergang auf der Straße in den Gefängnishof gebracht hatte.

Der Mann interessierte mich, und deshalb suchte ich unauffällig seine Nähe und sprach ihn dann wie beiläufig an. Er sah zunächst prüfend auf mich herab und wartete erst einige Sekunden, ehe er merkwürdig langsam, akzentuiert und klar antwortete: ,, Ich werde in ein Konzentrationslager gebracht." Auf meine Frage nach dem Warum, sagte er in gleicher Weise: ,, Weil ich meiner kommunistischen Gesinnung Ausdruck gegeben habe."

Ich wußte nicht recht, wie ich das Wesen dieses Menschen zu deuten hatte, aber es war irgend etwas an ihm, das mich ansprach. Zwar spürte ich immer deutlicher, daß er ein Außenseiter war, und doch schwang etwas ihn ihm, das ihn sympathisch und absolut ehrlich und aufrecht erscheinen ließ. Ich erfuhr, daß er auf Grund kommunistischer Literatur überzeugter Kommunist geworden sei, trotzdem er der einzige Sohn eines gut situierten bürgerlichen Elternhauses war. Und als er sich dann zu seiner Überzeugung durchgerungen hatte, habe er die innere Ver­pflichtung gefühlt, aus seiner Einstellung keinen Hehl zu machen.

Im Lager wurde er gleichfalls in den Block 39 eingewiesen, und daraus ergab es sich, daß ich noch mehrfach mit ihm sprechen konnte. Wenige Tage nach unserer Einlieferung wurde er zum Lagerarzt bestellt. Am Abend erzählte er mir, der Lagerarzt habe ihm eröffnet, er müßte steri­lisiert werden. Er habe aber darauf hingewiesen, daß er bereits mehrfach in geschlossenen Anstalten zur Beobachtung gewesen wäre; trotzdem habe das Erbgesundheitsgericht die Sterilisierung abgelehnt.

Ich war damals mit dieser Materie noch nicht so vertraut, daß ich mir ein Bild von der wirklichen Sachlage machen konnte. Meine Frage, ob er nach einer eventuellen Sterilisierung wieder aus dem Lager entlassen werden würde, verneinte er. Er wäre in das Lager wegen seiner kom­munistischen Gesinnung eingeliefert worden und würde wohl bis an sein Lebensende hierbleiben müssen.

Später, als ich aus dem Block 39 verlegt wurde, verlor ich den Kame­raden aus den Augen.

An einem regennassen Herbstabend bin ich allein im Arztzimmer des Häftlingsreviers und verrichte meine Arbeit. Der Abendappell ist vor­über. Gleich wird der erste Ansturm der Häftlinge zur ambulanten Abendbehandlung einsetzen. Schon wird es draußen auf dem Gange lebendig. Irgendein Tumult kommt auf. Das ist nichts Absonderliches,

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