nach dem Takt der Lagerkapelle zum Tor hinaus. Der eine oder andere Häftling wirft dabei wohl einen Blick auf den Menschen, der da leblos neben dem Bock liegt, und sieht, daß sich eine kleine Blutlache rings um den vermatschten Oberkörper sammelt.
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Ich werde von diesem Erlebnis wohl nie ganz loskommen. Aber dir, grundgütige, treue Natur bin ich unsagbar dankbar und verpflichtet, denn du hast auch diese Grausamkeit mich überwinden lassen: Die Maisonne scheint warm und gütig. Der wolkenlose Himmel leuchtet in tiefem, mildem Blau. Unbeweglich stehen die Bäume vor meinem Fenster in ihrem satten, frischen Grün, und tiefster, verheißungsvollster, glückseligster Friede liegt über der ganzen Natur. Die Feldspatzen tschilpen, ein Zeisig schmettert ohn' Unterlaß sein lustiges: ,, Leckleckleckschie, leckleckleckschie!" und immer noch röhrt die Schwarzdrossel ihre hohlen Schnarrtöne.
Auf dem Transport nach dem Konzentrationslager traf ich in Halle einen Kameraden, der mir durch sein zurückhaltendes Wesen besonders auffiel. Er war ein großer, kräftiger, breitschultriger Mann mit hoher Stirn, weichen Gesichtszügen und einem ruhigen Blick, dem man unwillkürlich nachspürte, daß sein Besitzer ein Grübler war.
Allgemein ließen sich die Schüblinge in zwei Gruppen einteilen. Die eine bestand aus jenen Leuten, deren ganzem Benehmen man deutlich anmerkte, daß sie all die Dinge, die um sie passierten, nur danach beurteilten, wie sie persönlich davon betroffen werden konnten. Ganz anders die zweite Gruppe. Das waren die, die nicht in erster Linie an sich dachten, sondern sich mit den anderen Kameraden zu einer Schicksalsgemeinschaft verbunden wußten. Während die erste Gruppe immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht war, und wäre es auch auf Kosten der Schicksalskameraden gewesen, war die andere Gruppe stets hilfsbereit, erteilte den Unwissenden Auskunft, gab Ratschläge und verbreitete um sich eine Atmosphäre der Ruhe und Gefaßtheit.
Jener Häftling aber schien ein Außenseiter zu sein. Er hielt sich abseits von allen Gruppen, die sich schnell bildeten, als der Weitertransport morgens auf dem engen Hof des Polizeigefängnisses zusammengestellt wurde. Ich sah, daß er die einzelnen Gruppen aufmerksam beobachtete, aber die langsame, ruhige Art, wie sein Blick von einer Gruppe zur anderen glitt, zeigte mir, daß er gar nicht daran dachte, sich irgend
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