Aber keine Viertelstunde später hörten wir aus der Richtung des Steinbruchs eine wüste Knallerei. Im Sekundenbruchteil war uns klar, daß sich der Daseinskreis über 21 jüdische Kameraden geschlossen hatte.
Kurz nach 10 Uhr rief mich Hauptscharführer Strippel telephonisch an. Seine Stimme klang rauh und betrunken: ,, Na, weißt du, wo die 21 Mistvögel sind?"
Ich wußte nicht recht, was ich antworten sollte. Zwar bestand für mich über das Schicksal der Juden kein Zweifel, auch wußte ich, daß man dem Hauptscharführer gegenüber nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen brauchte, aber der Ton seiner Stimme war derart grauenhaft, daß ich mich schnell entschloß, mich unwissend zu stellen.
,, Keine Ahnung, Herr Hauptscharführer", antwortete ich.
Darauf brüllte Strippel wie ein wilder Stier in das Telephon: ,, Im Arsch sind sie! Verstanden?!"
Jawohl, Herr Hauptscharführer."
,, Na, dann schreib man die Berichte", sagte er bedeutend leiser und leicht lallend ,,, brauchst du die Nummern?“
Jawohl, Herr Hauptscharführer."
Und dann diktierte mir Strippel telephonisch 21 Häftlingsnummern und 21 Namen. Ich ging an die Kartei und zog 21 Karten, schrieb 21 Totenmeldungen, und 21mal schrieb ich als Todesursache:--- ,, Auf der Flucht erschossen."
Am nächsten Tage sah ich die Leichen in der Totenbaracke. Sie wiesen alle Nahschüsse in den Hinterkopf auf. Die Verletzungen waren gräßlich, aber sie waren wenigstens alle auf der Stelle tödlich gewesen.
Ich war noch bei der Anfertigung der Totenmeldungen, als die nächste Hiobsbotschaft bekannt wurde: ,, Essenentzug für das ganze Lager. Barackendunkelarrest für alle Juden."
Die ersten zwei Tage vergingen verhältnismäßig leicht, am dritten Tage aber meldete sich der Hunger. Die Küchenabfälle aus den SS.Kasernen, die man in Trögen nach der Schweinemästerei im Lager brachte, wurden bereits nach Abfällen durchsucht. Die Zigeuner und Arbeitsscheuen fielen in immer größer werdender Zahl über die Abfälle her. Kartoffelschalen wurden gekocht und gegessen. Aus den Kellern der Häftlingsküche wurden vermatschte Steckrüben gestohlen.
Am nächsten Tage werden von der Hungerwelle auch schon politische Häftlinge erfaßt, die bis dahin die beste Widerstandskraft gezeigt hatten. In der abenteuerlichsten und riskantesten Weise wird von einzelnen Häftlingen irgendwelches Eßbare organisiert. Nachts herrscht trotz des Verbotes lebhafter Verkehr im Lager. Einzelnen Juden gelingt es, aus
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