werden kleine Ewigkeiten. Unser Appellmacher steht da mit kalk­weißem Gesicht.

Wieder Knarren im Lautsprecher. Dann: Achtung! Stillgestanden! Augen rechts!" Himmelherrgottsakra! Das übliche Appellkommando! Uns allen fällt eine Last vom Herzen. Der Appellmacher aber schlägt sich wie toll auf die Oberschenkel und sagt immer und immer wieder: ,, Mensch, Junge, Junge! Mensch, Junge, Junge! Mensch, Junge, Junge!"-

Bei einem anderen Abendappell standen die Häftlinge schon über eine Stunde auf dem Appellplatz und warteten auf das Einrücken des letzten Arbeitskommandos, das vor dem Tor stand und aus irgendeinem Grunde nicht eingelassen wurde. Plötzlich hieß es: ,, Es fehlt einer." Die Arbeitsstelle des Kommandos war der Garagenneubau. Es mußte von Häftlingen eine Razzia durch die Neubauanlage vorgenommen werden. Nach kurzem Suchen hatte man den fehlenden Häftling entdeckt. Es handelte sich um einen halbverhungerten ,, arbeitsscheuen" Häftling, der sich unter Bauhölzern verkrochen hatte und dort schlafend angetroffen worden war. Er war völlig apathisch und beantwortete keine der vielen Fragen, ob er einen Fluchtversuch unternommen habe, ob er eingeschlafen sei, warum er sich unter die Hölzer verkrochen hatte usw. Auch Faust­hiebe und Rippenstöße brachten ihn nicht aus seiner Apathie.

Als der Häftling im Lager war, konnte der Appell abgenommen wer­den. Rödl stellte einige Fragen an den sich völlig gleichgültig benehmen­den Häftling, erhielt aber auch keine Antwort, und brachte den Vorfall für sich mit dem kurzen Befehl: ,, Fünfundzwanzig!" zur Erledigung.

Der Häftling wurde auf den Bock geschnallt und erhielt mit Ochsen­ziemern 25 Stockhiebe aufgezählt. Auch dabei blieb er völlig apathisch. Zwar zählte er vorschriftsmäßig die erlittenen Hiebe mit etwas gequäl­ter, gepreẞter Stimme nach, aber schon beim sechsten Schlag stellte er das Zählen ein. Als er vom Bock gelöst wurde, war er ohnmächtig. Ein anderer Häftling warf ihn auf Befehl wie einen leeren Sack beiseite und legte sich dann auf den Bock, um die ihm zudiktierten Stockhiebe ent­gegenzunehmen.

Eine Stunde später mußten Krankenträger den arbeitsscheuen Häft­ling oben vom Bock fortholen. Er war tot. Ob der Tod bereits auf dem Bock eingetreten war, konnte man nicht mehr feststellten.

Der Totenbericht dokumentierte, daß er kurz nach seiner Einlieferung in das Häftlingsrevier an einer Herzinsuffizienz trotz sofortiger Ver­abreichung einer ausreichenden Cardiazoldosis verstorben war.

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