,, Na, dann sei vernünftig und unterschreibe."
Pause. Sekundenlang nur, und doch endlos lange Pause. Es ist als ob sich eine eiserne Kuppel über das Arztzimmer gelegt habe, als wäre der Raum nicht mehr von dieser Welt.
Julius Meier steht unbeweglich mitten im Arztzimmer, starrt vor sich hin und atmet kurz und schwer. Es arbeitet in ihm. Wird er unterschreiben? Wird er jetzt die bereitgelegte Feder nehmen?
Ding schiebt ihm den Schreibmaschinenbogen zu, taucht die Feder in das Tintenfaß und legt den Federhalter griffbereit auf die Tischkante. Meiers Blick ist auf den Federhalter gerichtet, dann hebt er ganz leicht und ungemein hilflos beide Arme an und sagt traurig, leise, grenzenlos verzweifelt: ,, Ich kann nicht, Sturmführer, ich will lieber sterben."
Da macht Ding eine wegwerfende Gebärde mit der rechten Hand, als wolle er sagen: ,, Jetzt gebe ich den Kram auf." Meier wird aus dem Arztzimmer entlassen. Ich lege die vorbereitete Akte mitten in die anderen, die in dem Schreibtisch lagern.
Nach vierzehn Tagen etwa treffe ich Meier im Lager. Er ist aus dem Arrest entlassen, sieht zwar immer noch arg mitgenommen aus, aber hat sich doch schon wieder erholt. Ich spreche ihm Mut zu: Vorerst brauche er keine Sorge zu haben, wieder in die Hände des Lagerarztes zu geraten. Inzwischen dürften seine Auswanderungspapiere in Ordnung gebracht werden und die Entlassung aus dem Lager wird dann schon glatt erfolgen. Er sagt mir: ,, Ich habe erst kein Vertrauen zu dir gehabt, ich möchte dir mein Mißtrauen abbitten."„ Keine Ursache, Kamerad", erwidere ich, ich weiß, wie schwer es hier im Lager ist, einem anderen Menschen zu vertrauen."
Und sicherlich wäre alles noch gut ausgegangen, wenn die Menschen draußen gewußt hätten, wie es in diesem Konzentrationslager zuging. Aber wie sollten sie das wissen?
Irgendein entlassener Häftling hatte Meiers Eltern über die Gefahr unterrichtet, in der ihr Sohn im Lager schwebte. Meiers Eltern hatten alles daran gesetzt, die Auswanderungspapiere in Ordnung zu bekommen, und bekamen sie auch in Ordnung. Dann setzten sie sich mit dem SS.- Sicherheitshauptamt in Verbindung und es gelang ihnen auch, wer weiß wie, aber die Liebe der Eltern ist ja zu allem fähig und findet immer einen Weg, bis an eine entscheidende Stelle vorzudringen. Sie waren orientiert, daß die Entmannung ihres Sohnes eine Frage von Sekunden sein könnte, und wußten es durchzusetzen, daß vom Sicherheitshauptamt ein Fernschreiben an das Lager gesandt wurde: ,, Entman
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