auf und wischt weiter und macht keine einzige abwehrende oder schüt­zende Bewegung. Dann gibt Dr. Ding dem Seehausen ein Zeichen, daß er einhalten soll.

Als Meier das Blut aufgewischt hat, nimmt er wieder gerade Haltung an und blickt unverwandt, wie ein Standbild fast, auf den Lagerarzt. Ich sehe deutlich, wie er sich strafft, die Brust herausdrückt und den Kopf leicht in den Nacken wirft, als trüge er nicht nur den eigenen Stolz, sondern in urewigem Auftrag zu seinem Teil auch den Stolz jenes Menschentums, das man, solange es eine nach Glück und Frieden rin­gende Menschheit gibt, immer und immer wieder ans Kreuz schlug

,, Ich will dir was sagen", spricht Dr. Ding jetzt den blutüberström­ten Juden an, und dabei kneift er die Augen zusammen, spricht durch die Zähne und gibt seiner Stimme einen satanischen Tonfall ,,, ich gebe dir vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit. Morgen früh bist du wieder hier. Dann geht das Tänzchen von neuem los, wenn du dich nicht inzwischen eines Besseren besonnen hast. Und glaube nicht, daß das dann so einfach wie heute abgeht. Wir haben noch einen ganzen Sack voll schöner Dinge für dich. Dann kannst du ja was erleben." Und dann brüllt er plötzlich wie ein Stier den Juden an: ,, Raus!"

Meier macht gelassen die vorgeschriebene stramme Kehrtwendung und geht zur Tür. Scharführer Hofmann versetzt ihm dabei noch mit seinen Knobelbechern einen furchtbaren Fußtritt in das Gesäß. Und als der Jude die Tür hinter sich geschlossen hat, lacht Ding gemacht und häßlich auf, und Seehausen und Hofmann fallen in das Gelächter ein. Seehausen sagt mit zynischem Tonfall langsam und gedehnt: ,, So ein Scheißhaufen!" Aber ich spüre deutlich, daß es den drei Folterknechten nach diesem Erlebnis nicht wohl zumute ist.

Kurz vor Mittag, als der Lagerarzt seinen Zwei- bis- drei- Stunden­Dienst beendet hatte und sich nun auch die SDG.s verdrücken konnten, kam Seehausen zu mir und sagte:, Für den Meier schreibst du keinen Zettel aus."

Für die Häftlinge, die im Laufe des Tages im Revier behandelt werden sollten oder die auf Grund ihrer Krankmeldung am Abend vorher von den Häftlingspflegern zu einer eventuellen stationären Behandlung vor-. geschlagen, aber erst dem Arzt vorgeführt werden sollten, oder die der Arzt zu einer Untersuchung angefordert hatte, wurden sogenannte Arztvormeldescheine ausgeschrieben. Zwar sollten diese Scheine vom Arzt oder einem SDG. unterschrieben werden, aber es hatte sich ein­geführt, daß sowohl der erste Häftlingspfleger als auch der Arztschrei­ber diese Scheine unterschreiben konnten, ebenso wie wir auch die ersten

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