Jene Fälle, die formularmäßig bearbeitet wurden, waren für die Be­troffenen nur insofern noch unangenehmer, als sie häufig eine zwei­malige Durchpeitschung für ein ,, Vergehen" herbeiführten.

Die Bestimmung, daß der Strafvollzug erst von Berlin genehmigt sein mußte, stand nur auf dem Papier, denn die Durchpeitschung wurde so­fort nach der Feststellung oder Aufdeckung der ,, Straftat" durchgeführt.

In keinem einzigen Falle ist, solange ich Arztschreiber gewesen bin, ein Häftling daraufhin untersucht worden, ob sein Gesundheitszustand den Strafvollzug gestattete. In keinem Falle wurde eine ärztliche Unter­suchung unmittelbar vor dem Strafvollzug durchgeführt. Und nach der Durchpeitschung? Es sträubt sich etwas in mir, das Nachfolgende zu schreiben, aber der Leser möge mich entschuldigen, denn ich stehe hier unter dem Zwange meines Eides und darf nichts verschweigen. Nach Massendurchpeitschungen bereitete der Lagerarzt, wenn er zufällig vor­beikam und eine bestimmte Sorte Scharführer und SS. - Offiziere am Tor stand, diesen homosexuellen Gesellen ein kleines Sondervergnügen" und nannte es ärztliche Untersuchung. Waren durch die Prügelstrafe Verletzungen erfolgt, dann wurde in keinem Falle eine lagerärztliche Behandlung vorgenommen; ja, es war den Häftlingspflegern sogar aus­drücklich verboten, derartige Verletzungen zu behandeln. Und wenn sie es trotzdem taten, dann taten sie es immer ,, auf eigene Gefahr"!

In fast allen Fällen wurde der Häftling auf dem Bock festgeschnallt. 25 Stockhiebe waren formularmäßig die Höchstzahl, die verabfolgt wer­den durfte. Häufig wurden 30, 40, 50 und mehr Schläge verabreicht, je nachdem wie zäh der Häftling war und wenn man ihn absolut bis zur Ohnmacht durchpeitschen wollte. Nach der Vorschrift hatte der Schar­führer die Schläge laut nachzuzählen. Er ließ das immer von dem Häft­ling machen, und wenn dieser das unter den Qualen vergaß, wurden aus den zudiktierten 5 häufig 30 und mehr Stockhiebe, je nachdem in welcher Laune der Prügelknecht war.

Nur manchmal, wenn eine Massenbestrafung des Lagers stattfand, d. h. wenn durch Abzählen viele hundert völlig unschuldige Häftlinge herausgestellt und dann durchgepeitscht werden mußten, ließen es die Scharführer nach stundenlangem Prügeln bei 2 oder 3 Stockhieben statt der diktierten bewenden, weil sie einfach müde waren und keine Lust mehr zum Geschäft hatten.

Selten nur wurde mit Ruten geschlagen, die der Vorschrift ent­sprachen. Es wurden lange, biegsame, mit Wasser vollgesogene Stöcke benutzt, lederne Hundepeitschen, Ochsenziemer, harte Knüppel und

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