den Gefesselten niederzischen ließ, langsam, mit Bedacht, und wieder, und wieder, hörten wie der Stock pfeifend die Luft durchschnitt und dann mit lautem Knall auf das Gesäß des Häftlings niederprasselte und wie der Häftling dann jedesmal tierisch aufheulte.

Die Lagerkapelle aber blies, fiedelte und bumste uns indes den Marsch­tritt in die Füße, von dem uns der Kapo vor dem Abmarsch unter fürchterlichen Strafandrohungen eingeschärft hatte, daß das zunächst die Hauptsache für uns sei, und wir marschierten durch das Tor den Karacho­Weg hinauf nach unserem Arbeitsplatz, und unser Herz schlug uns bis zum Hals, und das Grauen stand uns noch lange in den Augen.

Und als ich am Abend nach dem ersten harten Arbeitstag abgewrackt, erschöpft und am Rande meiner Kräfte wieder durch das Tor marschierte, sah ich, daß über dem Lagereingang mit großen Lettern die Worte standen: Recht oder Unrecht mein Vaterland!

-

Ich war zu zerschunden, um darüber zu meditieren, daß ausgerechnet jene Leute, die das Deutschtum allein in Erbpacht genommen haben wollten, dieses höchst zweifelhafte Wort aus dem Ausland hier zu ihrer Parole gemacht hatten. Aber als ich dann an dem Bock vorbeikam, der nun einsam und verlassen und unfaẞbar stumm dastand, da habe ich zum ersten Male in meinem Leben ganz begreifen gelernt, daß Ciceros ,, Ubi bene, ibi patria" doch eine innere Berechtigung hat. Mein Vater­land heißt Deutschland , und wird immer nur Deutschland sein! Ich aber kann hinfort keinem Deutschen mehr gram sein, der über den Bock in Buchenwald ging und sich darum zu dem Wort bekennt: ,, Wo es mir wohl geht, da ist mein Vaterland!"

Keine einzige der vielen tausend Auspeitschungen während meiner Haftzeit in Buchenwald ist unter Einhaltung der Vorschriften erfolgt, die auf dem Formular niedergelegt waren. Von hundert Auspeitschun­gen ist kaum eine durch die Ausfüllung eines Formulars aktenmäßig niedergelegt. Ich weiß das, weil die Formulare durch die Unterschriften­mappe des Lagerarztes gingen und ich ihm die Schriftstücke einzeln zur Unterschrift vorlegen mußte. Die SS. - Leute waren viel zu faul, jeden Prügelfall wenigstens formell aktenmäßig zu bearbeiten. Und wenn das trotzdem in einigen, verhältnismäßig wenigen Fällen gemacht wurde, dann nur, weil man dem SS. - Sicherheitshauptamt in Berlin doch zeigen mußte, daß man im Lager etwas tat, und das Sicherheitshauptamt wieder­um den Nachweis erbringen konnte, daß im Lager etwas getan wurde. Daran, daß sich beide Instanzen völlig darüber im klaren waren, daß die Ausfüllung der Prügelformulare nur Tarnung war, besteht für mich kein Zweifel.

101