zum Tor hinausmarschierte, sah ich zum ersten Male den ,, Vollzug einer Prügelstrafe". Ich habe später noch unzählige und teils viel grausamere Auspeitschungen im Lager gesehen und habe bei solchen Anblicken auch immer wieder bis zum Würgen im Halse gelitten, und doch muß ich sagen, daß mich keine der vielen, vielen Durchprügelungen innerlich so stark aufgewühlt hat wie diese.
Wir waren noch weit vom Tor entfernt, und die Lagerkapelle lärmte ihr unablässiges Taktgebumse, durch die Lautsprecheranlage verstärkt, so ohrenbetäubend, daß man den Eindruck einer Hottentotttenmusik hatte, und trotzdem hörten wir„ Zugänge" schon die entsetzlich qualvollen Schmerzensschreie durch alles Getöse und suchten erschreckt die Ursache dafür. Ich hatte zwar schon von dem Bock und der Prügelstrafe gehört, aber mir fiel nicht im entferntesten ein, diese grausigen Schreie damit in Zusammenhang zu bringen. Nun, ich wußte noch nicht, was man in Buchenwald unter Prügelstrafe verstand.
Als wir näher an das Tor heranmarschiert waren, sahen wir den ,, Strafvollzug", und trotzdem wir Neulinge ausnahmslos schon wie magnetisiert und versteinert nach der fürchterlichen Szene schauten, rief uns unser Kapo mit brutaler Stentorstimme zu:„ Zugänge! Augen rechts! Seht euch die Sache hier an. So werdet ihr auch durchgeprügelt, wenn ihr nicht fleißig arbeitet. Der da auf dem Bock hat bei der Arbeit gefaulenzt."
Merkwürdig nur- mir fiel es zunächst gar nicht auf, es kam mir erst nachträglich zum Bewußtsein, als ich bei der Arbeit, innerlich immer noch aufgewühlt, die erlebte Szene überdachte- merkwürdig nur, daß der Kapo selbst nicht einmal einen einzigen Blick auf die Ausprügelung warf. Doch es dauerte nur kurze Zeit, bis ich gelernt hatte, daß an dieser Tatsache gar nichts Merkwürdiges war, denn die Prügelstrafe wurde in Buchenwald derartig häufig ausgeübt, daß man bald wie abgestumpft war und schon ein engeres Interesse an dem Durchprügelten oder sonst einen persönlichen Grund haben mußte, um sich die Sache genauer anzusehen.
Wir kamen immer näher an den Bock heran und sahen bald mit Grauen die abgemergelte Gestalt, die auf dem Bock festgeschnallt war. Wir hörten die fürchterlichen Schmerzensschreie in unseren Ohren gellen, sahen die verzerrten, qualvollen, geradezu von Todesfurcht erfüllten Gesichtszüge des Häftlings, sahen, daß er so festgeschnallt war, daß er nur noch den Kopf bewegen konnte, sahen einen SS.- Scharführer, der einen dicken, biegsamen Stock mit weit ausholender Gebärde und mit aller ihm nur zur Verfügung stehenden Gewalt schwang und auf
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