Die SS. - Leute, mit denen wir Häftlinge Verbindung hatten und die uns den Verräter auch genannt hätten, wußten nichts, und die Schurken, die es wahrscheinlich wußten, waren begreiflicherweise heißes Eisen für uns.

Nach etwa acht Tagen kam dann aus dem Arrest die Nachricht ins Revier, daß wir die Totenpapiere für unseren Kameraden Opitz aus­zufertigen hatten. Todesursache: Freitod durch Erhängen. Sektion auf den übernächsten Tag angeordnet.

Als ich in die Leichenbaracke kam, hatten die Träger seinen Leichnam bereits aufgebahrt. Da lag er nun, mein guter Kamerad, mein Freund im Geiste und im Wollen, kalt und starr. Die Leichenflecke verdeckten gütig die Spuren der viehischen Mißhandlung, die er noch in den letzten Tagen seines harten Leidensweges durchzustehen hatte. Die Augen ge­schlossen, und auf dem friedlichen Antlitz und der hohen, gewölbten, reinen Stirn jener unnennbar hehre Abglanz eines großen, edlen Men­schentums. Der Strang aber zeigte keine Schlinge, er war nur ge­knotet

Es wird sicherlich viele Menschen geben, die sich entsetzen würden, wenn sie eines jener Formulare zu Gesicht bekämen, durch die die Nazis die von ihnen wieder eingeführte Prügelstrafe aktenmäßig erledigten. Ja, manche Menschen werden sich sogar schon entsetzen, wenn sie er­fahren, daß die Nazis wirklich die mittelalterliche Prügelstrafe an er­wachsenen Menschen durchführten. Aber es dürfte auch Leute geben, die die Strafe als ganz in der Ordnung ansehen. Ihnen widme ich dieses Kapitel mit dem heißen Wunsche, sie möchten nur ein einziges Mal die Prügelstrafe in der ,, mildesten" Form an ihrem eigenen Körper zu schmecken bekommen.

Ich rekonstruiere aus dem Gedächtnis: Das Prügelblatt ist ein zwei­seitig bedrucktes, in zahlreichen Rubriken unterteiltes, gelbliches For­mular von Aktenbogenformat. Es ist auf das säuberlichste ausgearbeitet. Wo Eintragungen und Angaben zu machen sind, stehen gestrichelte, wo Unterschriften zu leisten sind, punktierte Linien.

Zunächst mußten die genauen Personalien des Häftlings mit dem Grunde und der bereits verbrachten Dauer seiner Schutzhaft eingetragen werden. Dann die Straftat mit persönlicher Unterschrift des SS. - Mannes, der die Straftat bezeugen konnte. Weiter das vorgeschlagene Strafmaß, wobei 5, 10, 15, 20 oder 25 Stockhiebe vorgeschlagen werden konnten, und Angabe, wieviel Male und mit wie vielen Schlägen jeweils der Häft­

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