Gesichtsausdruck, seine klaren, offenen, edlen Augen, die hohe, edle Denkerstirn, das alles vereinigt sich zu einem augenblicklich wirkenden Eindruck, dessen sich niemand entziehen kann. Und dazu noch, Opitz ist hochintelligent. In wie vielen brenzlichen Situationen war ich im Laufe der Zeit, in der ich wehrlos den Naziverbrechern ausgeliefert war, schon gewesen, und ich bin durchgekommen. Sollte nicht auch ihm das Glück hold sein?

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Am Spätnachmittag kommen die ersten Häftlinge aus der Photoabtei­lung ins Lager. Es handelt sich um eine Photographie, die im Kleidersack von Opitz vorgefunden wurde. Eine Photographie? Ich weiß nicht, um was für eine Photographie es sich dabei handeln kann, aber ich weiß, daß nun der Stab über ihn gebrochen ist.

Nach dem Appell wird Opitz aus dem Arrest gebracht, auf den Bock geschnallt und durchgepeitscht. Kein Schmerzenslaut kommt über seine Lippen. Fünfundzwanzig entsetzliche Stahlrutenhiebe sind auf ihn niedergeprasselt. Aber er ist nicht ohnmächtig, erhebt sich aus eigener Kraft vom Bock, geht auf den Obersturmbannführer Rödl zu und er­stattet Meldung über die an ihm vollzogene ,, Bestrafung" und wird nicht ,, freigelassen, wie wir dennoch wohl einen Augenblick gehofft haben. Wieder in das Arrestgebäude zurück. Es ist das letztemal, daß ich Opitz lebend sehe.

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Am Abend erfahre ich dann Näheres. Am ,, schwarzen 6. Dezember 1937" waren zwei politische Häftlinge, Johannes Bremer aus Harburg und Oskar Fischer aus Berlin , während eines Appells aufgerufen und von bewaffneten SS.- Männern zum Tor hinausgeführt worden. Kurze Zeit darauf durchpeitschten Schüsse die Luft. Eine Erklärung, warum die beiden Häftlinge erschossen worden waren, konnte mir niemand geben. Bremer war ein Freund von Opitz. Die Leichen sind dann aus irgend­einem Grunde, der mir ebenfalls nicht bekannt ist, photographiert worden. Es kann sein, daß der Lagerkommandant SS.- Standartenfüh­rer Koch eine pikante Bereicherung seines Buchenwald - Museums haben. wollte. Opitz hatte die Bilder herstellen müssen und sich dabei ein Photo von seinem Freund besorgt. Dann hatte er sich durch einen ver­trauten Häftling, der in der Häftlingskammer tätig war, ein Familien­photo aus seinem Kleidersack besorgen lassen, das Bild von seinem Freunde sorgfältig dahintergeklebt und die Photographie in seinen Kleidersack zurückstecken lassen.

Nun war dieses Photo gefunden, und es war klar, daß ein jämmer­licher Verrat dahintersteckte. Natürlich hätten wir gerne gewußt, wer der Verräter war, aber alles Nachforschen führte zu keinem Resultat.

7 Poller, Buchenwald

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