wieder wirft er ihn nicht achtlos beiseite, wieder legt er ihn auf den Sek- tionstisch und als die untersuchten inneren Organe in Brust und Bauch- höhle der Leiche zurückgepackt werden, da ist auch das Strangulations- werkzeug vom Tische verschwunden- Der Sektionsgehilfe vernäht die Schnitte, und das Feuer in dem Verbrennungsofen von Weimar , Gotha oder Eisenach vernichtet wenige Zeit später endgültig das In- dizium-

Ken

An einem besonders sonnigen Vormittag sitze ich allein im Arzt- zimmer und rassele meine mehr oder weniger schematischen Toten- berichte in die Maschine. Ich habe viel zu tun und spute mich.

Da knarrt der Lautsprecher. Die Häftlingskleiderkammer wird ge- rufen. Geht mich nichts an. Ich horche nur mit halbem Ohr hin und schlage weiter in die Tasten. Von einem Kleidersack ist die Rede. Und meine Maschine rasselt. Wer weiß, was da los ist. Meine Häftlingsnummer 996 ist es nicht, die da genannt wird. Meine Berichte sind wichtiger. Soll wohl irgendein Häftling entlassen werden. Die Tasten meinerConti hämmern weiter in monotonem Takt. Oder vielleicht handelt es sich um den Kleidersack eines verstorbenen Häftlings, dessen private Uten- silien jetzt abgeschickt oder ausgehändigt werden sollen. Wer weiß, ich jedenfalls bin nicht unmittelbar betroffen. Und die Arbeit drängt, die schematische, die traurige, an die ich mich jetzt schon so gewöhnt habe, daß all die verlogenen Dinge, die ich da schreibe, wie die endlos langen, nichtssagenden Zahlen eines Buchhalters sind, der die Zahlen registriert, ohne zu wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen, Zahlen, die für ihn kein Leben haben, weil er nicht weiß, was sie bedeuten und welchen Wert sie tatsächlich darstellen.

Da kommt ein Kamerad aufgeregt zu mir ins Zimmer-ich weiß heute nicht mehr genau, wer es eigentlich war, aber es wird wohl der Häftlings- oberpfleger Walter Krämer aus Siegen in Westfalen gewesen sein.

Da, Walter, sagt er,hast du gehört, das war die Nummer von Opitz

Opitz? Ich unterbreche meine Arbeit. Opitz? Der Kapo von der Photo- abteilung? Nun, was soll da schon sein? Der hat doch genug Rücken- deckung, denn wem von den SS. -Leuten, den Scharführern, den Sturm- führern hat er nicht schon einekleine.privateGefälligkeit er-

wiesen.

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