nur auf Neulinge Eindruck, die alten Konzentrationäre blieben völlig unberührt, und für die Lagerverwaltung war die Angelegenheit sicher- lich die gleichgültigste und belangloseste Sache von der Welt.
Besonders zahlreich war der ‚Freitod durch Erhängen“ im Arrest- gebäude. Für uns Häftlinge war das nur zu erklärlich, denn wir kannten den Scharführer Sommer, der das Arrestgebäude unter sich hatte und fast immer mit von der Partie war, wenn es galt, einen Häftling be- sonders grausam zu quälen oder in das Jenseits zu schicken. Wir wußten, daß der Arrest für jene Häftlinge, die aufgefallen waren, d. h. irgend- einen Verstoß gegen das unternommen hatten was die Lagerverwaltung unter„Lagerdisziplin“ verstand, in der Regel die mehr oder weniger kurze letzte Station vor dem Antritt der großen Reise war, von der noch niemand zurückgekehrt ist. Selbstverständlich wurden auch diese Leichen meistens seziert, denn ein Sektionsprotokoll war--- der beste und schlüssigste Abschluß einer Lagerakte.
Ich war schon bei zahlreichen Sezierungen von Kameraden, die den Freitod wählten, zugegen gewesen, ehe mir auffiel, daß der Prosektor sich für die Strangulationswerkzeuge manchmal besonders interessierte. Während er gewöhnlich den Strick, mit dem die armen Häscher ihrem Dasein ein Ende gesetzt hatten, durchschnitt und achtlos beiseite warf, nahm er manchmal die Unterhose, den Strumpf, den Fetzen eines Hand- tuches, oder was sonst zum Aufhängen benutzt worden war,in die Hand, besah sich den Knoten und ließ ihn dann auf dem Sektionstisch liegen. Bei einer Sektion war mir dieses Gehaben besonders stark aufgefallen, so daß ich mir vornahm, den Hemdfetzen nach der Sektion auch ein- mal näher anzusehen. Doch als die Sektion beendigt war, war er nicht mehr aufzufinden.
Aber meine Aufmerksamkeit war geweckt worden, und von nun an suchte und fand ich auch fast immer Gelegenheit, die Strangulations- werkzeuge vor der$ektion unauffällig näher anzusehen. Aber ich fand nichts Besonderes. Immer wieder eine Schlinge, mal rechts herum, mal links herum, mal ganz einfach, mal besonders sorgfältig geknüpft.
Und dann lag wieder einmal die Leiche eines Arresthäftlings auf dem Sektionstisch. Da!-keine Schlinge!-ein Knoten! Ein doppelter Knoten, ein sogenannter Schifferknoten. Es bedurfte keines kriminalistischen Scharfblicks, um über diese eigenartige Weise des Selbstmordes zu stol- pern, keiner scharfsinnigen Logik eines Kriminalkommissars, um hier den richtigen Schluß zu ziehen, keines Tatzeugen, um zu behaupten, daß sich dieser Häftling nicht erhängt hatte, sondern-—erhängt wurde.
Und richtig, wieder sieht sich der Prosektor den Knoten genauer an,
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