Ich winke ab: ,, Wird wohl nicht so schlimm sein."

,, Meinst du?" erwidert mein Kamerad, sieht, daß ich viel zu tun habe, und geht wieder aus dem Zimmer. Und meine Schreibmaschine rasselt wieder, den angefangenen Satz zu Ende, und weiter die zusammenphanta­sierten Krankengeschichten mit immer neuen Variationen bis zum ,, leider trotz sorgfältigster Pflege unvermeidbar gewordenen Exitus" beschreibend.

Opitz? Nun, ich kenne ihn, ein prächtiger Bursche, ein angenehmer Kamerad. Vielleicht hat er Schwein und wird entlassen. Hat ja schon einige Jahre KZ. hinter sich, und außerdem, wer weiß, vielleicht hat er irgendeinen einflußreichen Sturmführer mit seiner Photographiererei fertigmachen können. Hals- und Beinbruch, Kamerad!

Und ich spanne neue Bogen in die Maschine, die nächste Totenmel­dung ,, aktenmäßig" zu erledigen. Zwar weiß ich nicht, woran und wie der Häftling gestorben ist, aber es ist die Karteikarte zur Hand, die wir Häftlinge bei der Einlieferung anlegten und auf der auch durchgemachte Krankheiten vermerkt sind. War schon einmal wegen Leberschwellungen in Behandlung. Kann also an Leberzirrhose gestorben sein. Für die Ana­mnese gibt es Bücher. Und die Behandlungsvorschriften sind gleich dabei vermerkt. Das wird ein klassischer Fall mit klassischer Behandlung. Die Indikation kann in der besten Klinik nicht besser sein. Und selbst der gerissenste Fachmann, der später einmal den Bericht lesen wird, wird sagen müssen, daß der Herr Lagerarzt bei der Einlieferung des Kranken in das Häftlingsrevier eine geradezu meisterhafte Prognose gestellt hat, daß auch nicht der Schimmer eines Fehlgriffes vorhanden ist und daß eine Behandlung durchgeführt wurde, wie sie in dem erstklassigsten Spezialsanatorium nicht besser durchgeführt werden kann. Daß der Patient am Ende dann doch gestorben ist, nun, wir Menschen müssen alle einmal sterben. Und hier war offenbar alles Menschenmögliche getan. Hier steht es ja, schwarz auf weiß, logisch, fachmännisch. So etwas läßt sich doch nicht aus den Fingern saugen! Patient zwar tot, aber Behand­lung klassisch, ganz, ganz einwandfrei. Und ich spanne neue Bogen in die Maschine-

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Es ist Mittag geworden. Die Häftlinge, die oben vor dem Lager in den Verwaltungsbaracken tätig sind, kommen auf eine Stunde ins Lager. Die Photoabteilung fehlt, und wie ein Lauffeuer geht's durchs Lager: Opitz im Arrest, die anderen Häftlinge isoliert, werden einzeln ver­nommen. Niemand im Lager weiß, was vorgefallen ist. Gerüchte kommen auf, wahrscheinliche und unwahrscheinliche.

Opitz ist nicht irgendein namenloser Häftling. Viele kennen ihn, denn

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