sektion genug sein, um die medizinische Todesursache zu ermitteln. Was darüber war, mag er als ausschließliche Angelegenheit der Lagerverwaltung angesehen haben. Daß er sich wohl auch seine privaten Gedanken gemacht haben mag, glaubte ich mehrfach aus seinem Verhalten. gemerkt zu haben.
Auch die Lagerverwaltung und besonders der Lagerarzt schienen diesem SS.- Kameraden nicht restlos zu trauen, denn regelmäßig in der Nacht vor der angesetzten Obduktion einer oder mehrerer Leichen wurde ,, Klarschiff in der Leichenkammer" gemacht, das heißt alle vorhandenen Leichen wurden in die Krematorien abtransportiert und die Leichenträger aus dem Lager erhielten Anweisung, die über Nacht verstorbenen Häftlinge erst am Nachmittag in die Leichenkammer zu tragen.
Eines Tages war ich bei der Obduktion der Leiche eines arbeitsscheuen Häftlings zugegen. Es handelte sich bei diesem Häftling um eine üble Kreatur, die sich ihren Vorteil dadurch zu sichern suchte, daß sie Spitzeldienste für die Verwaltung verrichtete. Schon seit längerer Zeit hatte dieser Mensch bei den Mithäftlingen unter dem Verdacht der Spitzelei gestanden, und eines Abends war der Verdacht bestätigt worden. Die Folge war, daß der Vigilant von einigen Häftlingen gehörig durchgeprügelt wurde. Am nächsten Morgen aber waren besonders empörte Mithäftlinge auf der Arbeitsstätte, einer Baustelle in der Nähe des Lagers, erneut über ihn hergefallen und hatten ihn mit Schaufelstielen zu Boden geschlagen. Andere Häftlinge hatten dann den Ohnmächtigen mit Fußtritten traktiert und ihn in einen Wassertümpel geworfen.
Die Lagerakte über diesen Vorfall begann mit der Feststellung, daß die Leiche des Häftlings am Rande des Tümpels vorgefunden worden sei. Vor der Sektion hatte ich Gelegenheit, die Leiche eingehend zu besichtigen. Die Schädeldecke zeigte mehrere klaffende Wunden. Oberhalb der rechten Schläfe war das Schläfenbein völlig zertrümmert, das rechte Auge war ausgelaufen. Der ganze Körper wies unzählige Blutergüsse, sogenannte Haematome, auf, die ohne Frage von Hieb-, Stoß- und Trittverletzungen herrührten.
Für mich bestand kein Zweifel darüber, daß dieser Häftling von den Mithäftlingen erschlagen worden war.
Wie aber würde die Lagerverwaltung mit diesem für sie mehr als mißlichen Vorfall fertig werden? Es war klar, die Tatsache, daß der Häftling tot war, war nicht aus der Welt zu schaffen. Der Tod war außerhalb des Lagers eingetreten und mußte deshalb irgendeine formalrechtliche Erledigung finden. Aber konnte die Lagerverwaltung zu
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