achtet hatte. Es kann aber auch sein, daß irgendein„guter SS.-Kamerad“ ‚die Sache bei ihm angebracht hatte, denn die„Kameraden“ der SS., die nicht durch irgendein Verbrechen zu einer Interessengemeinschaft ver- sippt waren und deshalb„die Schnauze halten“ mußten, waren sich fast immer spinnefeind. Jedenfalls hatte es Rödl eines Tages verboten, daß ich bei Sektionen zugegen sein durfte.
Nun, gegen Rödl wußte man sich zu helfen. Die Schreibmaschine und die Papiere, die ich sonst zur Sektion durch das Tor an Rödls Büro- fenster vorbei nach der Leichenbaracke schleppen mußte, wurden auf eine Bahre gepackt, mit einer Wolldecke zugedeckt und von den Toten- trägern unter Führung eines SDG.s unter der Deklaration eines Leichen- transportes nach oben gebracht, indes mich ein anderer SDG. auf einem großen Umweg in die Leichenbaracke führte.
Die Schreibmaschine baute ich schon bei der zweiten Sektion auf einer wackeligen Kiste in einem Winkel neben der Tür so auf, daß ich unter dem Vorwand, möglichst wenig Platz wegzunehmen, den Verlauf der Sektion genau beobachten konnte. Die zu obduzierende Leiche war von den Totenträgern bereits auf dem Sektionstisch bereitgelegt. Die Träger mußten sich vor Beginn der Sektion wieder entfernen, oder, falls mehrere Leichen obduziert wurden, in dem zweiten Raum bei den Leichen aufhalten. Kaum hatte der Prosektor die Baracke betreten, als das Diktat auch schon begann:„Männliche Leiche, etwa 170 Zentimeter groß, in ausreichendem Ernährungszustand. Keine äußeren Verletzun- gen erkennbar. Pupillen gleich weit, mittelrund....“
Immer wieder konnte ich feststellen, daß die Sektionsprotokolle„er- forderlichenfalls“ genau so zusammengelogen und zusammengefälscht wurden, wie fast alle anderen Akten des Lagers. Was der Prosektor nicht sehen, nicht finden, nicht feststellen sollte, das stellte er nicht fest, das sah und fand er nicht, und umgekehrt. Um besonders in die Augen springende Tatsachen schien er sich überhaupt nicht zu kümmern, be- ziehungsweise verstand er es, sie geschickt zu vertuschen. So war zum Beispiel die Buchenwald -Spezialität bei Fluchterschießungen der Bauch- schuß. Durch immer neue Varianten brachte der Prosektor Abwechslung in die sonst monoton ausgefallenen Sektionsprotokolle dieser Art. Ob es ihm wohl aufgefallen ist, welche merkwürdige Erschießung auf der Flucht es war, als er einmal 21 Judenleichen zu sezieren hatte, wobei sich die SS. -Männer als geniale Meisterschützen erwiesen hatten, denn alle 21 Leichen zeigten-—- Genicknahschüsse auf?
Nun, ich weiß nicht, ob sich ein Prosektor auch um solche merkwür- digen Dinge zu kümmern hat, er ließ es jedenfalls mit der Schädel-
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