häufig nur halb vollendete Sätze. Sie waren von dem dem Häftlings­revier zugeteilten SDG.( Sanitätsdienstgrad) SS.- Oberscharführer See­hausen angefertigt, einem typischen SS.- Mann mit ungehobelten Ma­nieren, minderwertiger Schulbildung und viehischer Gesinnung. See­hausen konnte nur mangelhaft maschinenschreiben und mit den unzäh­ligen lateinischen Bezeichnungen, die in solchen Protokollen üblich sind, nicht fertig werden, so daß der Prosektor ihm fast jedes lateinische Wort buchstabenweise in die Maschine diktieren mußte.

Das mag dazu geführt haben, daß der Obduktor eine bessere Schreib­maschinenkraft gefordert hatte, zumal die Zahl der Sektionsleichen im­mer größer und größer wurde. Der Obduktor kam vom pathologischen Institut der Universität Jena und war selbstverständlich SS. - Mann. Nach den Bestimmungen waren alle schriftlichen Arbeiten im Häftlings­revier von den Sanitätsdienstgraden auszuführen. Sie waren dazu aber nicht nur zu faul, sondern einfach überhaupt nicht imstande. Es lag nahe, einen anderen SS.- Mann aus der Lagerverwaltung für die Herstellung der Protokolle heranzuziehen. Der aber konnte nur über den Lagerkomman­danten Koch angefordert werden. Man hätte Koch damit die Unfähigkeit der SDG.s eingestehen müssen, und das hätte fraglos bei der Brutalität, die Koch auch gegen die SS. - Leute an den Tag legte, zu unerwünschten Komplikationen geführt. So verfiel man schließlich auf den Ausweg, mich mit der Anfertigung der Protokolle zu beauftragen. Ich war im Laufe der Zeit ohnehin schon- oft aus Nachlässigkeit, oft aus Faulheit, oft aus einer Zwangslage der SDG.s mit allen möglichen internen Einzelheiten vertraut geworden, so daß es sowohl dem Lagerarzt als auch den SDG.s nicht mehr darauf ankam, mich in eine weitere Pest­beule einzuweihen. Man hatte mit mir doch bislang die besten ,, Erfah­rungen" gemacht, glaubte vielleicht, daß ich manche Dinge nicht durch­schauen würde, und konnte mir bislang keinen einzigen Fall nachweisen, in dem ich eine dunkle Angelegenheit nicht für mich behalten hätte. Außerdem war ich aber auch noch, wenn das erforderlich sein sollte, mit Leichtigkeit restlos stumm zu machen

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Die Hauptsache mußte nur bleiben, daß der Lagerkommandant nichts von dieser Tätigkeit erfuhr. Der neben dem Lagerarzt unmittelbar ver­antwortliche Schutzhaftlagerführer Rödl, dieser reichlich dumme und saugrobe Bayer, stand weniger auf der Rechnung. Man glaubte, ihn leicht über die kleine ,, Schiebung" hinwegtäuschen zu können. Nichts­destoweniger waren ,, wir" doch einmal aufgefallen. Ich weiß nicht, wie Rödl auf meine streng untersagte Tätigkeit in der Leichenbaracke auf­merksam geworden war. Es mag sein, daß er mich selbst dabei beob­

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