Ich: ,, Wieso nichts?"

Er: ,, Ja, nichts."

Ich: ,, Es muß doch irgend etwas mit ihm los gewesen sein." Er: ,, Ja, Mensch, weißt du denn nicht Bescheid?"

Ich: ,, Bescheid? Wovon?"

Mir schwant etwas. Liegt nicht ein ganz besonderer Tonfall in den Antworten des Pflegers? Mir kommt ein furchtbarer Gedanke. Aber augenblicks wehren sich alle meine Nerven gegen eine Vorstellung, die mir ungeheuerlich erscheint und die sich mir doch mit der Macht einer Naturgewalt aufzwängt. Ich spüre eine Trockenheit in der Kehle, das Blut muß sich einen Augenblick aus meinem Hirn entfernen, denn mir wird schwindelig, und ich höre wie aus weiter Ferne, daß der Häftlings­pfleger gelassen und mit gleichgültigstem Tonfall sagt:

,, Na, wenn du es nicht weißt, dann wirst du es bald erfahren."

Und ich erfuhr es. Am frühen Nachmittag bekam ich den Befehl, die Totenmeldung für den Häftling Mohr zu erstatten, der im Arrest ver­storben war.

Am nächsten Morgen diktierte mir Ding einen verlogenen Toten­bericht. Damit war mir auch der letzte Zweifel genommen.

Außerhalb des Lagers, zwischen dem mit Hochspannungsstrom ge­ladenen Drahtzaun und den letzten Ausläufern des von erpreßten. Judengeldern erbauten ,, Buchenwald- Zoos", lag die Leichenbaracke, eine kleine, erbärmlich- ärmlich zusammengehauene Holzbaracke von der Größe und dem Niveau einer miserablen Baubude. Einer Baubude? Nein! Eine Baubude, so wie sie ein auf rücksichtslose Ausbeutung halten­der Unternehmer den Bauarbeitern einstmals stellte, nur um der gesetz­lichen Vorschrift des Regen- und Wetterschutzes Genüge zu tun, war immer noch ein anständiger Raum gegenüber jener Baracke, in der alle Häftlinge vor der Einrichtung der eigenen ,, Verbrennungsanlage" kurze Rast machten, um die letzte Rumpelfahrt ins Krematorium nach Wei­ mar , Gotha oder Eisenach zu machen, nachdem sie endlich von den Qualen des Lagers durch den Tod erlöst waren.

Gewiß, Leichenkammern pflegt man nicht an verkehrsreichen Plätzen und Wegen einzurichten. Diese Leichenbaracke aber schien sich ganz besonders verkrochen zu haben, so, als scheue sie selbst noch in der Todeszone, die sich rund um das Lager zog, jedwede Öffentlichkeit, jed­

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