darüber gegeben, und kein Häftling hat mir bis zu dieser Stunde, da ich dieses schreibe, gesagt, daß er in jenen Tagen um mich bemüht gewesen ist und mein Leben unter Einsatz seines eigenen Lebens dem Tode und dem Nationalsozialismus abgetrotzt hat. Ich mußte erst selbst organisch in das stumme, ehrgeizlose, nur im schweigsamsten Pflichtbewußtsein verankerte Heldentum der Lagerelite hineingewachsen sein, um hier alle Zusammenhänge zu erfassen. Ich mußte erst selbst derjenige Häft­ling geworden sein, der die Arztvormeldescheine ausfüllte und die Liste der Arztvormelder ausfertigte, die fast täglich zur Lagerleitung ans Tor geschickt wurde, um zu begreifen, daß mich die aktiven Freunde in letzter Sekunde aus den Krallen des Sensenmannes befreit hatten.

Zwar wußte ich schon, daß jeder politische Häftling irgendwie von den anderen politischen Häftlingen bevorzugt wurde, aber ich wußte noch nicht, daß es ungeschriebenes, ehernes Gesetz im Lager war, daß bestimmte Häftlinge abzuschirmen waren. Richard Elsner hatte seine Freunde auf mich aufmerksam gemacht. Zwar wußten sie noch nicht, ob ich würdig war, abgeschirmt zu werden, aber sie taten es dennoch, nur weil ein Freund, den sie kannten, für mich einstand. Sie schwiegen vor mir aus zwei Hauptgründen. Zum ersten war das, was sie für mich taten, eine riskante Sache. Wäre dabei irgend etwas schief gegangen, so daß die Lagerleitung davon erfahren hätte, sie wären selbst grausam gestorben. Und darum die angewandte Vorsicht, die vielleicht nur der ganz begreifen kann, der selbst im Lager in diesem Sinne gewirkt hat. Und zum zweiten war ihre Handlungsweise von Motiven getragen, die in den letzten, tiefsten, geheimnisvollsten menschlichen Regungen ihren Ursprung haben. Diese Regungen aber stehen jenseits von allen Äußer­lichkeiten. Sie schämen sich vor äußerem Ruhm, äußerer Anerkennung, äußerer Ehrung, und Weihrauch nach außen und innen ist ihnen bis in den Tod verhaßt.

Aus diesen beiden Gründen haben die Freunde bis auf den heutigen Tag vor mir geschwiegen und werden vielleicht immer vor mir schweigen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß ein Häftling beobachtet hatte, wie ich um Haaresbreite auf der Kippe stand. Und dann war durch irgendeinen Kanal mein Name ins Revier gekommen und ohne Wissen des Arztes auf die Arztvormeldeliste gesetzt worden. Und man hatte mir drei Tage Ruhe verschafft, die mich dem Leben zurückgewannen. Und als die Ruhetage vorüber waren, da brauchte ich nicht mehr beim Kom­mando Steinbruch anzutreten, sondern wurde in ein anderes, leichteres Arbeitskommando eingereiht. Zwar war auch dort die Arbeit noch

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