mir ein Häftling unten vor der Revierbaracke:Du bleibst heute im Lager, geh rüber in die Holzbude und mach dir da zu schaffen. Wenn jemand kommt, sagst du, daß du dich für den Arzt bereit halten sollst, und zeigst ihm diesen Zettel. Und damit übergab er mir einen auf einem Vervielfältigungsapparat hergestellten kleinen Zettel, auf dem im Vordruck mein Name, meine Häftlingsnummer und das Tagesdatum eingetragen waren.

In der Holzbude lag zerkleinertes Reisig, auch ein Beil und ein Hau- block waren da. Ein Kapo kam und sagte mir:Du brauchst hier nicht viel zu tun, du mußt nur die Augen aufhalten. Wenn jemand kommt, einerlei ob es ein Häftling oder ein Scharführer ist, dann mußt du dich mit Reisigschlagen beschäftigen. Vor allen Dingen darfst du nicht ein- schlafen. Ich habe dann den ganzen Tag in der Holzbude verbracht. Hin und wieder kam der Kapo und unterhielt sich mit mir. Er fragte mich weidlich aus, war aber in der Beantwortung meiner Fragen zurück- haltend. Einmal kam ein Häftling, der mich fragte, ob ich Büroarbeiten machen könnte. Ich bejahte, doch als ich ihn fragte, ob er solche Arbeit für mich hätte, sagte er nur:Vielleicht für einen Tag, wir wollen mal sehen und entfernte sich wieder. Kurz vor Arbeitsschluß kam dieser Häftling zurück, gab mir einen neuen kleinen Zettel und sagte mir:Mor- gen früh trittst du wieder an Schild 2 an. Wenn du gefragt wirst, zeigst du den Zettel vor.

Und wieder wurde ich am nächsten Tag nach dem Revier geführt. Diesmal mußte ich etwa eine Stunde lang vor der Revierbaracke stehen. Dann kam ein Häftling, holte mich in die Baracke, und ich mußte von kleinen, verschmutzten Karten, auf denen ambulante Behandlungen ver- merkt waren, auf große, saubere Häftlingskarteikarten Übertragungen machen. Und wenn ich eine Karte fertiggestellt hatte, mußte ich sie Hans Rösler vorlegen, der mit Würde und peinlicher Genauigkeit jeden schiefen I-Punkt und jeden Kommafehler monierte. Nun, ich fand diese Art zwar reichlich kleinlich, aber was machte mir das schon aus! Es ging nicht mehr pfadauf, pfadab, und ein sauberer I-Punkt war spielerisch leicht an die rechte Stelle placiert, wenn man sich nur die Zeit dazu ließ, und auf die Anzahl der ausgefertigten Karten schien es demMedizinal- rat gar nicht anzukommen.

Und als ich dann abends wieder mitten zwischen den Zehntausenden auf dem Appellplatz stand, da fühlte ich mich frisch und munter und war so guter Dinge, wie ich es nur sein konnte.

Viele, viele Wochen später erst habe ich begriffen, was in diesen Tagen mit mir und um mich vor sich ging. Keiner hat mir je eine Erklärung

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