gefertigt. Auch macht sich das Lehrgeld bezahlt, das ich tags zuvor zahlen mußte; ich gehe mit meinen Kräften haushälterisch um und lasse sorgsam keinen einzigen der kleinen Tricks und Kniffe außer acht, die ich gestern der harten Arbeit mühsam und unter Schmerzen abrang.

Dennoch fällt es mir schwer, in Schwung zu kommen. Ich fühle mich wie eine Maschine, die sich erst einlaufen muß, wie ein neuer, nicht ge­rade sorgsam hergestellter Mühlstein, den man erst einzuschleifen hat. Aber nach einigen Runden pfadauf- pfadab sind meine Knochen und Gelenke geschmeidiger, und das leichte Grauen, das mich bei der Arbeits­aufnahme überkam, weicht einer zuversichtlichen Stimmung.

Es sind andere Posten da. Neunzehn- bis zwanzigjährige Burschen, von jenem Typ, wie man sie zuweilen in den Nazi- Illustrierten abgebildet sah, nur nicht mit den dort fast immer sorgfältig ausgewählten Phy­siognomien. Bauernburschen, Draufgängertypen, unfertige Menschen, denen man es ohne weiteres ansieht, daß ihr Horizont begrenzt ist und daß sie kaum geistige Interessen haben, leichtsinnige Gesellen, die sicher­lich für einen handwerklichen oder geistigen Beruf nicht taugen und sich darum dem Soldatentum verschrieben haben.

Die ersten paar Stunden gehen gut ab. Zwei Laufschrittrunden, zu denen uns die Posten mit Drohungen und Mißhandlungen zwingen, ver­sickern wieder, weil der größte Teil unserer Kolonne vom Kapo weg­geholt wird, um einen riesigen Steinkoloß aus dem Wege zu schaffen. Dann geht es wieder pfadauf, pfadab, ohne Pause, mühselig, kräfte­zehrend.

Da verliert einer ziemlich weit oben am Hang seinen Stein und ver­mag ihn nicht mehr zu halten. Der Stein rollt und hopst in tollen Sprün­gen den Hang hinab und reißt andere Steine mit sich, geradewegs auf die Trägerreihe unten am Hang zu. Ein johlendes Rufen warnt die Häft­linge dort unten, und den meisten gelingt es auch, noch rechtzeitig bei­seite zu springen, aber einer wird doch von dem herabfallenden Stein erwischt. Ich kann nicht sehen, wo ihn der Stein trifft, aber er wird förmlich durch den Anprall beiseite geschleudert, dreht sich halb um sich selbst, sackt zusammen, gleitet ab, kugelt sich überschlagend den Berg hinab und bleibt in einer Schneewehe einige Meter tiefer liegen. Die ganze Kolonne pfadaufwärts ist ins Stocken geraten. Der Häft­ling, der den Stein verloren hat, steht völlig entsetzt da, die Augen groß und ängstlich auf den Häftling unten in der Schneewehe gerichtet. Als dieser sich dann aus eigener Kraft aufrichtet und auf allen vieren berg­abwärts klettert, setzt sich unsere Kolonne wieder in Bewegung. Ich sehe, wie der Pechvogel oben, dem der Stein entglitten ist, hilflos

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