„Man kann doch den Menschen hier nicht einfach so sterben lassen!“
„Mensch, Kerl, hast du’ne Ahnung! Du wirst hier noch dein blaues Wunder erleben. Paß nur auf, daß du nicht auch mal so daliegst. Und dann vor allem, keine Zicken machen! Weißt du, vorhin, als du zu- packen wolltest, das war nicht nur für dich, daß ich dir eins ins Kreuz gab. Wenn die da oben— er weist mit dem Kopf nach der Postenkette, die den Steinbruch am Rand umstellt hat— erst mal wild werden, dann sind hier die Puppen für uns alle am Tanzen. Erst machen sie ihr Theater mit dir, und wenn sie dann Blut geschleckt haben, dann werden sie wild, und dann gehts über uns alle her. Die Hauptsache ist, daß wir die Woche durchhalten. Dann kommen andere dran, und wir können Steine brechen. Dabei können wir dann schon mal unauffällig Fünfzehn (Arbeitspause) machen. Beim Steinschleppen heißt es, immer in Be- wegung sein und unter keinen Umständen die Arbeit unterbrechen. Umfallen darfst du, aber nur auf dem Hang. Wenn du woanders um- fällst, glauben die Biester, du markierst, und dann kann es dir passieren, daß sie dir Beine machen.“
„Warum nur auf dem Hang?“
„Mensch, Kerl“, sagte der Schwarze mit einem wegwerfenden Ton- fall, als wäre ihm meine Dummheit unbegreiflich,„fall doch mal auf dem Hang um! Glaubst du, daß du dann auf der Stelle liegen bleibst? Nee, is nicht, mein.lieber Schwan. Das gibt immer eine schöne Talfahrt, die sich keiner freiwillig leistet. Freiwillig wirst du nur über die Posten- kette gehen.“
Die Arbeit wird wieder aufgenommen. Meine Knie sind etwas steif und lahm. Die Blase an der rechten Hacke schmerzt insbesondere bei den ersten Schritten, und der Stein auf der Schulter drückt empfindlich, so daß ich versuche, ihn unterm Arm zu schleppen. Das erweist sich aber bald als noch mühsamer. Ich mache mir aus meinem leeren Brotsack ein Polster, das ich zwischen Mantel und Jacke auf die Schulter schiebe, und habe guten Erfolg. Auch die Verbände um die Zehen bewähren sich. Aber die harte Arbeit zehrt doch an meinen allgemeinen Körperkräften, und meine Knie werden bei jedem„Turn“ weicher und weicher.
Doch mir geht es nicht allein so, auch meine Kameraden werden lang- samer, und da sich jeder nur hinter seinem Vordermann halten kann, weil die Pfade sehr schmal sind, rückt die Kolonne immer enger zu- sammen. Während die Kolonne anfangs einen geschlossenen Kreis bil- dete, wird sie mehr und mehr eine lange Schlange, die sich im Kreis bewegt. Nur merkwürdig, der Kopf der Schlange vor mir wird immer kleiner, der Schwanz dafür um so länger.


