passen, zu diesen ausgemergelten Gestalten, die vor den politischen Blocks herumlungern in der Hoffnung, daß sie von einem politischen Häftling ein Stückchen Brot, einen Rest vom Abend vorher übrig gebliebener kalter Suppe oder einen fortgeworfenen Zigarettenstummel ,, erben" können, zu diesen schmutzigen und zerrissenen Kleidern und diesen trägen, schleppenden Schritten der„ Passanten".
Der Blockälteste jagt die herumlungernden Schwarzen von Zeit zu Zeit fort, denn es ist bei Strafe verboten, Nahrungsmittel an andere Häftlinge abzugeben, und er geht mit ,, über den Bock", wenn einer seiner Häftlinge bei der Übertretung des Verbotes erwischt wird. Aber es nützt nicht viel. Wie die Geier sind sie wieder da, sobald der Blockälteste den Rücken gekehrt hat.
Ich blicke den Weg entlang. Vor allen politischen Blocks dasselbe Bild mit den lungernden Schwarzen. Die Straße ist belebt, wie die Geschäftsstraße einer Kleinstadt zur Hauptgeschäftszeit. Nur das allgemeine Tempo der Passanten ist verlangsamt, als hätte ein Filmoperateur die Kurbel seiner Kamera ein wenig ins Zeitlupentempo abgleiten lassen. Und dann ist es auch nicht das Bild einer deutschen Kleinstadt, sondern weit eher das Bild einer über Nacht aus dem Boden gestampften Barackenstraße am Klondike zur Goldfieberzeit.
Da kommt ein Häftling mit der Armbinde ,, Lagerpolizist" den Weg herauf. Lange bevor ich seiner von meinem Olympplatz aus ansichtig werde, merke ich sein Kommen, denn die Schwarzen vor den Blocks sind plötzlich wie durch einen Zauberschlag verschwunden. Sie fürchten die ,, Bestrafung auf der Stelle", die dieser Häftling ausüben könnte, und weit mehr noch eine Meldung, die er bei der Lagerleitung erstatten muß und darum auch manchmal erstattet, je nachdem, um was für einen Lagerpolizisten es sich handelt.
Vom Hauptweg, der sich durch das ganze Lager zieht und den Barackenweg rechtwinklig kreuzt, taucht ein eigenartiger Transport auf. Vier Häftlinge tragen auf ihren Schultern eine Bahre, auf der nach den Konturen ein Mensch liegt, der mit einer Wolldecke zugedeckt ist. Der Transport kreuzt den Barackenweg und verschwindet wieder hinter der höher gelegenen Baracke in Richtung auf das Lagertor zu.
Ob das wohl ein Toter ist? geht es mir durch den Sinn. Und kaum ist der Transport hinter der Baracke verschwunden, da taucht ein zweiter Transport auf. Ich frage einen neben mir stehenden Häftling, was das zu bedeuten hätte. Er sagt mir sachlich nüchtern und ohne die Spur einer inneren Bewegtheit: ,, Das sind die Toten von heute nacht aus dem Revier. Die werden jetzt in die Leichenbaracke gebracht." Und schon
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