hängt worden ist, nicht aufgehoben, aber es wird überall unter Beachtung einer gewissen Vorsicht geraucht. In unserem Waschraum ist die schönste blaue Luft. Ich frage Hans Schulenburg:

Ist das ungenierte Rauchen hier nicht riskant?

Gewiß, antwortet er,und jeder tut es natürlich auf eigene Gefahr. Aber hier sind die Chancen eins zu hundert. Erstens sind keine Schar- führer mehr im Lager. Zweitens dürften wir hier im Block ziemlich spitzelrein sein, beziehungsweise kümmern sich die Spitzel nicht um solche Dinge. Drittens haben wir einen gut funktionierenden Signal- dienst, der uns wohl immer noch rechtzeitig warnt, wenn Gefahr im Verzug ist.

Na, dann können wir ja in aller Ruhe eine pusten, sage ich, und wir schmunzeln beide.

Weißt du, wir müssen überhaupt hier im Lager allerhand für uns und für andere riskieren führt Schulenburg das Gespräch weiter,aber das wirst du noch früh genug lernen. Im Grunde ist gar nichts dabei, denn ob wir so oder so kaputt gehen, ist ziemlich gleichgültig. Der eine riskiert Kopf und Kragen und ihm passiert gar nichts, der andere hält sich vollkommen zurück und stirbt. So ist das nun einmal hier. Wir müssen sehen, wie wir durchkommen. Und mit gegenseitiger Hilfe gehts leichter.

Haben wir überhaupt die Möglichkeit, uns hier gegenseitig wirksam zu helfen?

Aber sicher doch. Ich kann dir das heute noch nicht so recht erklären. Es ist im Lager so, daß man alles am eigenen Leibe erfahren muß. Es sind schon sehr bittere Erfahrungen gemacht worden, und mancher hat ins Gras beißen müssen, weil er nicht vorsichtig genug war. Keiner traut hier zunächst einem anderen. Vertrauen muß hier wachsen, mühsam, langsam.

Besteht hier irgendeine politische Organisation?

Ich weiß nicht. Und wenn ichs wüßte, ich würde es dir nicht sagen. Du mußt lernen, keine gefährlichen Fragen zu stellen.

Ich frage doch nur, weil ich in diesen ersten vierundzwanzig Stunden schon mehrfach erfahren habe, daß die politischen Häftlinge bevorzugt werden und offenbar gut zusammenhalten.

Wie mans nimmt. Das ist nur zu natürlich. Es gibt hier ungeschrie- bene Gesetze.

Und wenn sie auch ungeschrieben sind, irgendeiner muß sie doch formuliert haben.

Ich glaube nicht, daß sie jemand formuliert hat. Sie sind unpersönlich.

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