Die kleinen vergitterten Fenster des Arrestgebäudes rechts neben dem Tor sind mit Holzluken verschlossen.
Ich gehe an der Seite, wo die Baracken IA bis V A stehen, wieder lagerabwärts. Die Juden in dem Sonderlager tragen Zivilkleidung, abgerissen, zerknüllt, dreckig, unglaublich verwahrlost. Auch sie sind kahlgeschoren. Es ist ihnen verboten, die Baracken nach der Seite des Hauptlagers zu verlassen, wie es uns verboten ist, an den Drahtzaun zu treten. Aber zwischen den Baracken sehe ich düsteres Elend in Hülle und Fülle. Ich beobachte, wie zwischen Insassen unseres Lagers und diesen Juden eine Steinpost hin und her geht. Beide Seiten arbeiten mit größter Vorsicht, damit der Posten, der drüben vom Turm hinter dem elektrischen Drahtzaun das Lager überschauen kann, nichts gewahr wird. In hohem Bogen fliegen die papierumwickelten Steine hin und her.
Ich habe dann später in diesem Lager noch viele entsetzliche Dinge erlebt und gesehen, aber ich muß es einer berufeneren Feder überlassen, die grauenhafte Tragödie der Baracken I A bis VA zu schildern, denn was ich sah, war nur der Epilog, und ich vermöchte nur einen winzigen Teil zu schildern, der leicht ein Zerrbild erstehen lassen könnte.
Als ich in meine Baracke zurückkomme, ist Hans Schulenburg da. Er nimmt sich sofort meiner an. Im Laufe der Unterhaltung mit ihm erfahre ich, daß auch Richard Elsner im Lager ist. Ich kenne ihn sehr gut, schon seit vielen Jahren. Er hat drei Jahre Zuchthaus wegen Vorbereitung zum Hochverrat hinter sich und ist dann nach einigen Tagen der Freiheit ebenso rechtlich grundlos wie ich in Schutzhaft genommen worden. Ich weiß wer er ist, ich weiß, daß er ,, echt" ist, ich muß ihn sofort aufsuchen.
Hans Schulenburg geht mit nach dem Block, in dem er liegt. Auf dem Wege erzählt er mir von anderen Häftlingen aus unserer Stadt. Ich kenne sie fast alle, aber sie sind in der Mehrzahl nicht aus politischen Gründen im Lager. Aber trotzdem, es sind Bekannte aus meiner Wahlheimat, und ich fühle mich nicht mehr so verlassen und einsam wie noch vor wenig mehr als vierundzwanzig Stunden. Richard Elsner ist nicht in seinem Block. Er ist irgendwie unterwegs.
Wir warten einige Zeit, dann müssen wir ergebnislos in unseren Block zurück, da gleich Lagersperre sein wird und dann kein Häftling mehr die Baracken verlassen darf. Dann leuchten die Scheinwerfer von den Wachttürmen die Lagerstraßen ab, und wenn sich jemand auf den Straßen und Wegen zeigt, dann knattern die Fettspritzen auf und ,, liquidieren", was gegen die Lagerdisziplin verstößt.
Noch ist das Rauchverbot, das seit drei Wochen über das Lager ver
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