wie ausgestorben. Nein, doch nicht, hier und da sind einige Häftlinge, die weiter arbeiten. Das sind die, die auf Befehl des Kapos aus irgend­einem Grunde mit ,, Durcharbeiten" bestraft sind.

Dort geht der Kapo gemessenen Schrittes quer über den Platz, auf­recht, frisch, und den Stock, mit dem er uns eben noch über den Schädel und durch das Gesicht schlug, wirft er spielerisch von einer Hand in die andere.

Wäre es ein SS.- Mann, ich würde mich abwenden und ins Leere starren. Aber das ist kein SS.- Mann, das ist ein Häftling wie ich. Er trägt genau dieselbe Kleidung wie ich, genau denselben roten Winkel. Nur um den Arm die Kapo- Binde, die unterscheidet ihn äußerlich von mir. Und dann diese Brutalität, diese viehische ,, Gesinnung", diese abgrund­tiefe Verworfenheit, diese unfaßbare Demoralisierung!

Es ist nur gut, daß ich noch ein wenig zu denken vermag. Habe ich nicht in den Strafanstalten schon zur Genüge diese Sorte Mensch kennengelernt, diese Schmarotzer unter den Gefangenen, die Hilfs­dienste bei den Wachtleuten versehen und von uns Kalfaktoren genannt wurden? Bin ich da nicht auch schon manchmal verzweifelt gewesen? Verzweifelt, bis ich dann doch von irgendeinem Kalfaktor belehrt wurde, daß selbst in diesem Schmierlappenkleid noch anständige Ge­sinnung, würdiges Menschentum, wundervollstes, aufopferndes Kämpfer­tum lebendig war?

Dort geht der Kapo. Fraglos, das ist einer von jener Sorte Mensch, die es nicht wert ist, den Namen Mensch zu tragen. Es wird hier aber sicher­lich auch noch andere Kapos geben! Ist drüben im Lager nicht Hans Schulenburg? Habe ich nicht erlebt, daß andere Häftlinge, die ich gar nicht kannte, sich für mich eingesetzt haben? Und jener Häftling, den ich nur flüchtig kannte, dem ich die Nummer 996 verdanke? Die Num­mer, von der ich noch nicht weiß, was für eine Bewandtnis es damit hat, die aber fraglos irgend etwas Wichtiges, mir Helfendes bedeutet.

Wieder der entfernte Sirenenton. Die Mittagspause ist vorüber. Und wieder geht es an die harte Fronarbeit, die mörderische, die stunden­lange, und von jeder Viertelstunde zur nächsten wird sie schwerer und schwerer.

Da endlich ruft uns ein schrilles Pfeifensignal zum Antreten. Die Arbeit für diesen Tag ist zu Ende. Ich bin abgewrackt, erschöpft, zer­schunden, am Rande meiner Kräfte. Der Schutthaufen aber, der nach der Anordnung des Kapos verschwunden sein sollte, ist noch zur Hälfte da.

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