Ich bin gerade dabei, mit einer Spitzhacke aus dem festgefrorenen Schutthaufen neuen Schutt zu lockern, während der Häftling, mit dem ich zusammen an den Tragkasten gestellt worden bin, den Schutt in den Kasten schaufelt, da kommt der Kapo auf uns zu. Wir arbeiten wie die Verrückten. Der Kapo steht wortlos da und sieht unserer Arbeit zu.
Als sich ein paar andere Häftlinge mit ihrem Tragkasten in Bewegung setzen, brüllt.er:„Das nennt ihr arbeiten? Laufschritt, marsch, marsch!“ Die beiden Häftlinge fangen an zu laufen, widerspruchslos und ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.„Ich will euch quadratigen Nacht- wächtern schon beibringen, wie hier gearbeitet werden muß, ihr Schlappschwänze ihr! Der Kasten ist in Nullkommanichts voll! Und dann geht es, aber im Karacho, nach den Kippwagen und zurück! Und das geht den ganzen Tag so! Und wenn heute abend der Haufen hier nicht verschwunden ist, dann geht das ganze Kommando über den Bock, verstanden?!“
Und als ich dann mit meinem„Pauker“- so nannten wir einen Häftling, der auf Gedeih und Verderb zu gemeinsamer Arbeit mit uns verbunden war— den übervollen Tragkasten anfasse, da setze ich mich gleichfalls sofort in Laufschritt, wehrlos, willenlos, eine Maschine, kein denkender Mensch mehr.
Und auch heute noch, da ich den damaligen Tag in großem Abstand überdenke, bleibt immer noch ein letzter Rest von Unbegreiflichkeit übrig, denn damals wußte ich noch nicht, wie grausam zuweilen jene Menschen starben, die sich nicht willenlos und auf der Stelle dem Befehl eines SS.-Mannes oder Kapos beugten, und trotzdem ich noch ahnungs- los war, wehrte ich mich nicht gegen den Befehl, den dieser Kapo ganz offensichtlich nur deshalb gab, weil ihn die SS. -Leute gezwungen hatten, weitere sechs Häftlinge zur Hilfe zu holen.
Der Kapo bleibt etwa eine halbe Stunde neben unserer Arbeitsgruppe stehen, und selbst lange Zeit nachdem er uns schon wieder verlassen hat, außer Sichtweite ist, bei anderen Arbeitskolonnen herumtobt und uns nicht mehr beobachtet, halten wir das mörderische Arbeitstempo noch durch, und es ist nicht unser Wille, sondern allein unsere physische Grenze, die langsam das Tempo abbremst.
Um 12 Uhr verkündet ein weit entfernter Sirenenton eine halb- stündige Mittagspause. Wir sind derartig erschöpft, daß wir einfach um- fallen, uns auf den kalten Boden legen und kaum in der Lage sind, unser trockenes Brot zu essen, das wir im Brotsack bei uns tragen. Und wir empfinden die Ruhe als—— köstliches Geschenk des gütigen Himmels.
Die Baustelle, auf der es eben noch wimmelte und krimmelte, liegt
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