Artistik vollbringen, um in die ,, Falle" zu kommen.( Dafür war aber ihr Bettenbau nicht so einfach zu kontrollieren, und ein Bettenbau, der nach Ansicht eines Scharführers schlecht war, war willkommener Anlaß, den Häftling in eine ,, Lagerstrafe" zu nehmen. Am vorteilhaftesten war hier der ,, Olympier" dran. Sein Bett klebte geradezu an der Decke. Zwar konnte er sich nur seitwärts auf sein Lager schieben und sich im Schlaf nicht umdrehen, aber sein Bettenbau fiel nahezu nie auf, und das war bei den harten Lagerstrafen, die üblich waren und von denen noch die Rede sein wird, reichlicher Ausgleich.)

Der Blockälteste beauftragt einen Häftling, mich zum Stubenältesten der Stube C zu bringen. An zahlreichen Häftlingen vorbei, die kaum Notiz von mir nehmen, gehe ich die Steintreppe hinauf durch den Vor­flur und betrete die Stube. Sie ist zum Bersten überfüllt von Häft­lingen, die alle den roten Winkel tragen. Der Block 39 ist ein ,, politischer Block". Die Tische sind mehr als besetzt, und zwischen ihnen und auf den Gängen gehen und stehen die Häftlinge herum, die keinen Sitz­platz haben. Anscheinend ist gerade das Essen verteilt, denn die meisten Häftlinge löffeln aus ihren Näpfen. Viele essen im Stehen. Manche haben ihren vollen Eẞnapf auf einem Tisch stehen und warten nun darauf, daß einer von denen, die einen Platz am Tisch haben, sein Essen beendet hat. Alle sind kahl geschoren und bartlos. Zwar sehe ich keinen einzigen ausgesprochen gut genährten Häftling, aber sie sehen auch nicht ver­hungert aus, haben meistens eine gesunde Gesichtsfarbe und blicken im Durchschnitt auch nicht so uniformiert stupide drein, wie jene Häft­linge, die ich oben in den ersten Barackenreihen antraf. Ich habe den Eindruck, daß sich diese Häftlinge hier bei weitem nicht so gehen lassen, daß sie sich offenbar gegen das Schicksal stemmen, das über sie gekommen ist, daß sie sich nicht selbst aufgegeben haben. Aber merkwürdig wieder, auch hier nimmt niemand von mir Notiz. Jeder ist mit sich selbst oder mit einem anderen Kameraden beschäftigt.

Der Stubenälteste heißt Franz. Ich lerne ihn später näher kennen. Er ist ein ruhiger, junger Mensch, immer hilfsbereit, überaus gutmütig und hat eine sichere, stille, energische Art, das unaufdringlich durch­zusetzen, was er im Interesse der Häftlinge für richtig hält. Er empfängt mich freundlich, und ohne daß ich zu einer Frage genötigt bin, informiert er mich, als wüßte er ganz genau, wo mir der Schuh drückt. Er händigt mir einen Eẞnapf, einen Löffel und einen Becher aus. Übriges Geschirr müßte ich mir von anderen Häftlingen ausleihen. Er zeigt mir im Schlaf­raum ein Bett und unterrichtet mich über den Bettenbau und wie die Kleidung nachts peinlichst genau auf einen Schemel aufzubauen sei.

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