der Armbinde dazu kam. Ich vermute, daß das wohl ein noch höherer Häftling gewesen sein müßte, kann es aber nicht ganz verstehen, wes­halb der andere sich mit einem Male so unterwürfig zeigte und unsicher wurde.

Die ersten Baracken, vor denen wir haltmachen, um die Häftlinge einzuweisen, sind einstöckige, über zwanzig Meter lange Holzbuden. Der Eingang befindet sich in der Mitte. Von ihm gehen drei Türen ab, von denen die mittlere in den reichlich primitiven Waschraum mit abge­stoßenen Emaillebecken, verbeulten Kannen, Eimern usw. führt, wäh­rend nach rechts und links die Türen zu den Tagesräumen abgehen, in denen eine drangvoll fürchterliche Enge herrscht. Die Häftlinge dort scheinen buchstäblich aufeinander zu hocken.

Auf unserem Wege immer weiter ins Lager hinab kommen wir an einer Latrine vorbei, die mitten zwischen den Baracken errichtet ist. Sie besteht aus einer tiefen, offenen Grube, über der ein primitives Gestell aus Baumstämmen errichtet ist, von keinerlei Schutzwand oder dergleichen verdeckt. Zahlreiche Häftlinge stehen davor und warten, bis ein Platz in der langen Reihe frei wird. Schamgefühl oder auch nur so etwas Ähnliches wie Schamgefühl scheint hier völlig ausgestorben

zu sein.

Es geht weiter lagerabwärts. Die Wege zwischen den Baracken werden immer schlechter, bis sie schließlich einer Baustelle gleichen, auf der alles noch durcheinander liegt, Kuhlen und Löcher, Sandhaufen, Geröll und Steine. Wenige Wochen später, als die Schneeschmelze eingetreten ist, werden wir auf diesen ,, Straßen" stoisch und gleichgültig durch fuẞtiefen, zähen Schlamm waten und es gar nicht mehr beachten, daß uns das Wasser in die Schuhe dringt. Dann werden wir nicht einmal mehr lachen, wenn ein Häftling in dem tiefen Dreck so stecken bleibt, daß wir ihm behilflich sein müssen, wieder herauszukommen, denn in der Zwischenzeit haben wir es gelernt, uns auf Befehl eines launischen Scharführers mit der ganzen Körperlänge in den Schlick zu werfen. Da ist dann so ein kleiner ,, Betriebsunfall" keine Absonderlichkeit mehr und gehört mit zu den Selbstverständlichkeiten, die keines Aufhebens wert sind.

Jetzt kommen wir zu den Steinbaracken. Sie sind zweistöckig, nicht unschön in der Architektur und offenbar solide gebaut. Es ist schon zu dunkel, um Einzelheiten zu erkennen, aber das Licht, das aus den gegen­überliegenden Baracken fällt, vermittelt doch einen Gesamteindruck, der sich merklich und vorteilhaft von dem der Holzbaracken abhebt. Der Block 39, das ist die Steinbaracke, der ich zugewiesen bin, scheint

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