suppe und ein Stück Brot. Danach wurden ein Berg alter, schon vielfach zerfetzter Matratzen und einige Arme voll ebenso verbrauchter und zerschlissener Decken in die Zelle gebracht. Wir konnten schla- fen. Nun, es war ein Kunststück, die fünfunddreißig Quadratmeter Fußboden so aufzuteilen, daß ein jeder von uns notdürftig liegen konnte, ohne den Nach- barn auf den Kopf oder in den Bauch zu treten. Aber es ging. Es sollte ja noch schlimmer kommen. Ich war rechtschaffen müde und hätte gern ge- schlafen, doch mußte ich hier zum ersten Male erken- nen, daß ein Mensch in solcher Gemeinschaft keinen Eigenwillen besitzen darf. Es ist doch nun einmal so, daß jeder hin und wieder das Bedürfnis hat, für ein paar Minuten allein zu sein. Er möchte ungestört seinen Gedanken nachhängen können, er will viel- leicht beten, oder sei es auch nur wie man recht profan sagt, um ungesehen in der Nase bohren zu können: die Einsamkeitssehnsucht ist jedenfalls da. Aber sie wird niemehr gestillt, denn das Indivi- duum hat aufgehört zu existieren. Der Gefangene ist nurnoch das Partikelchen einer größeren zwangs- weisen Gemeinschaft, und sein Leben gehört ihm nicht mehr allein. Für viele, die meisten, ist dies das härteste Leiden während der ganzen Haftzeit. Wir schliefen also nicht. Irgendeiner hatte noch etwas Tabak durch die Kontrolle geschmuggelt. Mit Zeitungspapier wurden ein paar Zigaretten gedreht. Ein andrer besaß einen Feuerstein, etwas Lunte und eine Glasscherbe; wir rauchten also und begannen unsere Schicksale voreinander auszubreiten. 15