Predigt:
AD
m 29. Mai dieses Jahres schritt ich durch die vielen Tore des Konzentratioslagers Dachau in die Freiheit. Hinter mir zurücklassend Hunderttausend von toten Kameraden, gehenkt, verhungert, erschossen, erstickt, vergiftet, durch die normalen Lagerkrankheiten Typhus , Fleck fieber, Phlegmone, Dysenterie, Herzschwäche hingerafft bis zur Stunde meines Auszuges. Alles so wie ihr's im Radio zu hören bekommen habt und in den Zeitungen zu lesen. Nur noch viel grauenhafter! Denn grauenhafter als einzelne Greuelstunden und Greuelwochen war der graue Alltag im Dachauer Moor, Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr eine endlose Straße ohne Hoffnung! Dann sah ich München . Die verwüstete Stadt. Die Schlangen Menschen vor den Läden. Die vorbeirasenden Autos der Besatzungstruppen. Die Schutt wegräumenden deutschen Kriegsgefangenen. Aus den Trümmern eines Gotteshauses herausquellende Gemeinde. Fremde Fahnen auf den Dächern. Jubelnd heimfahrende ausländische Arbeiter. Und ich fand mich nicht zurecht. Was ist das für ein Deutschland ? Das Deutschland von Dachau hinter mir und das Deutschland von München um mich?
Was ist geschehen? Was geschieht?
-
-
Dann kam der 28. Juni und wir fuhren mit unserem Auto heimwärts. 3 Tage durch Bayern und Rheinland und Westfalen . Durch Ruinen- Städte, durch Kontrollen, über sinnlos zerstörte Straßen und Brücken, durch ein Volk, das eng wohnt, wenig zu essen hat, kaum weiß, was war, noch weniger, was sein wird. Man nimmt einen Band Mörike zur Hand. ,, Frühling läßt sein blaues Band..."
29


