Predigt:
gehalten nach Befreiung aus dem Konzentrationslager Dachau in der Erlöserkirche zu München- Schwabing am 17. Juni 1945
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Das as verlesene Wort des Propheten Jesaja hat deutlich nur ein Ziel: uns zu ermuntern zum Lobe Gottes! Und das meint hier: zu einer ganzen Lebenshaltung, zu einem Umgang mit Gott, aber auch mit allen Mitmenschen im Alltag, aus dem zu lesen ist: ,, Wir geben Gott ganz recht; wir sind der Meinung, Er hat Seine Sache wunderbar gut und gerecht mit uns gemacht; wir loben Gott !" Als ich vergangene Woche die Predigttexte des heutigen Sonntags daraufhin las, welches Gotteswort ich denn als Erstes der Gemeinde nach meiner Rückkehr in die Freiheit sagen müßte, da war mir sofort gewiß: dies Wort ist es, die Ermunterung zum Lobe Gottes. Aber jetzt sträubt sich etwas in uns und will dies helle. Wort nicht in uns herein lassen. Ist denn dazu der richtige Augenblick jetzt: Die verwüsteten Städte, unser besiegtes Volk, die verlorene Ehre, unsere Toten und Vermißten und Gefangenen, die bedrohte Versorgung, das geistige Chaos, die enthüllte Schande deutscher Konzentrationslager, die Charakter- und Gewissenlosigkeit und Feigheit von Millionen deutscher Männer und Frauen, die wenigen Beweise von Gottesfurcht und Jesusliebe unter Christen, Pfarrern und Kirchenführern, die namenlose sittliche Verirrung und Verantwortungslosigkeit unserer Führer in Politik und Wehrmacht , und darüber nun der Haß und das Gelächter der ganzen Welt um uns herum ist das der richtige Augenblick zum Lobe Gottes: Du hast es wunderbar gut und gerecht mit uns gemacht? Nun, wenn man die Dinge so sieht, wie sie greifbar vor uns liegen, dann offenbar nicht. Dann kann man sich nur vergraben in einem Winkel und alles laufen lassen, wie es läuft. Es ist wirklich kein Sinn heraus
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