gesunden Lebenskräfte der Nation langsam abgetötet. Sein Gebäude ruhte auf den Prätorianergarden der SS und SA , die sich eifersüchtig und miẞtrauisch gegen­seitig überwachten. Alles wurde schließlich in Deutsch­ land auf die zwei Augen des Führers" abgestellt, eine für moderne Staaten geradezu unmögliche staatsrecht­liche Konstrucktion. Nach allen Erfahrungen der Ge­schichte mußte sie die größten Gefahren heraufbe­schwören.

KAPITEL 6

Die Schuld der Wehrmacht

In seinem unvermeidlichen Sturz hat das nationalso­zialistische System auch die Armee in einer Weise hin­eingerissen, die das Unglück Deutschlands erst richtig zur Katastrophe werden ließ. Die alte Reichswehr hatte viel Schuld daran, daß Deutschland auf die abschüs­sige Bahn des Hitlerismus geriet. Sie war schon vor 1933 zu einer politisierenden Armee geworden. Ihre Führerschaft erhob Anspruch auf die offene und stille Ausübung der höchsten Macht im Staate, auf eine Art kaiserlicher Zentralgewalt in der Republik . Gegen sie konnte, namentlich seit Hindenburg Reichspräsident geworden war, in Deutschland nicht regiert werden. Statt sich darauf zu beschränken, ein Machtinstrument der Staatsgewalt zu sein, war die Reichswehr weitge­hend Selbstzweck geworden. Alle militärischen Organi­sationen, sogar die illegalen, betrachtete sie als mög­liche Ergänzung ihres auf hunderttausend Mann be­schränkten Bestandes. Aus diesem Grunde waren sie

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